Publikumsmessen: Starker Auftritt für neue Kunden

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Schauen, staunen, kaufen: Nahezu die Hälfte der Deutschen nutzt laut aktueller Studien Verbrauchermessen als Freizeitvergnügen. Wie Sie vom neuen Trend zur Kundengewinnung profitieren.

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    © Hans Scherhaufer
    Stefanie Holtz präsentiert ihre fair produzierten Schmuckstücke auf dem Berliner Heldenmarkt.
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    „Die Besucher wollen etwas erleben, ideal sind deshalb Aktionen zum Mitmachen.“ Ludwig Rechenmacher, Messeprofi und Berater der HWK Niederbayern.
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    „Gerade auf den kleinen Veranstaltungen kommt man gut mit den Besuchern ins Gespräch.“ Marlies Friem, ­Seniorchefin bei Jowi-Holz-Innenausbau in Schermbeck (im Foto mit Michael Friem).

Berlin Postbahnhof, Mitte November: Für neun Euro Eintritt hätte man an diesem Wochenende in der Hauptstadt auch ins Kino oder Museum gehen können. Doch die knapp 9000 Besucher, die in den als Eventlocation umgebauten ehemaligen Bahnhof strömen, wollen die Angebote des Heldenmarkts entdecken. Die Verbraucherausstellung für nachhaltigen Konsum zeigt Produkte für ein Leben in Einklang mit Mensch und Natur.

Etwa die Schmuckstücke aus fair gehandeltem Metall und Edelsteinen von Goldschmiedin Stefanie Holtz, Inhaberin des Schmucklabels Oronda. Auf ihrem mit schwarzem Stoff verkleideten Messestand – einem Vier-Quadratmeter-Abschnitt auf dem Gemeinschaftsstand des Netzwerks „Faires Berlin“ – präsentiert die Berliner Handwerkerin Ringe, Anhänger und Armbänder – und ein paar Goldnuggets. „Das Rohmaterial schlägt die Brücke zur Frage, um die es bei meinen Produkten geht: Woher stammt eigentlich das Material für Schmuck?“

Das richtige Publikum finden

Ein Nischenthema, für das sich auf dem Heldenmarkt aber viele Besucher interessieren. „Ich habe mich vorher bei Teilnehmern früherer Veranstaltungen informiert, ob ich hier das richtige Publikum treffe“, sagt Holtz. Denn nur so ließen sich ihre Messeziele erfüllen: das breite Produktspektrum der Fair-Trade-Goldschmiede zeigen und Kunden aus anderen Berliner Stadtbezirken gewinnen. Wobei das Direktgeschäft auf der Messe eher zweitrangig ist: „Der Umsatz steht nicht im Verhältnis zum Aufwand“, sagt die 44-Jährige. „Wichtiger ist, die Aufmerksamkeit auf mein Ladengeschäft und das Netzwerk zu lenken.“

Gute Stimmung schürt die Kauflust

Diese Aufmerksamkeit lässt sich auf Publikumsausstellungen sogar in Zeiten von Online-Shopping und vielfältiger Freizeitangebote gewinnen. Laut aktueller Studie vom Ausstellungs- und Messeausschuss der deutschen Wirtschaft (Auma) besucht fast jeder zweite Deutsche in der Freizeit Publikumsmessen. Die Auswahl der Veranstaltung hängt vor allem vom Angebot sowie der gebotenen Atmosphäre ab: Messebesucher wünschen sich gute Stimmung, ausreichend Platz und attraktive Produktpräsentationen der Aussteller. Was zählt, ist das Erlebnis – und mit diesem wächst in der Regel auch die Konsumlaune.

So kauften etwa die Besucher der Essener Mode Heim Handwerk, der größten Verbraucherschau Nordrhein-Westfalens, 2014 im Schnitt für 366 Euro direkt auf der Messe ein. Mehr als die Hälfte der Besucher gab außerdem an, nach der Messe für durchschnittlich 929 Euro Waren kaufen oder bestellen zu wollen.

Die Messe als Kundenbringer

Dieses aus Messekontakten gewonnene Geschäft macht bei Jowi-Holz-Innenausbau, Spezialist für Treppenrenovierungen aus dem rheinländischen Schermbeck, sogar ein gutes Drittel des gesamten Umsatzes aus. Auf etwa sechs bis zehn Verbraucherschauen in der Region, darunter auch die Mode Heim Handwerk, stellt der kleine Betrieb mit insgesamt fünf Mitarbeitern jedes Jahr aktuelle Produkte vor: Mustertreppen mit Vinylbelägen etwa oder elektrische Dachbodentreppen und Handlaufsysteme.

„Die Messe in Essen ist für uns eine Traditionsmesse, auf der wir hauptsächlich Altkunden treffen“, sagt Seniorchefin Marlies Friem, die im Familienbetrieb für Büro und Werbung verantwortlich ist. „Lieber sind uns im Grunde die kleineren Handwerksschauen, da die Leute hier gezielter zu uns kommen.“ Doch auch mit elf anderen Treppenbauern in einer Halle, wie auf der letztjährigen Mode Heim Handwerk, weiß der Betrieb, wie man das Publikum an den Stand zieht.

Neben einer elektrischen Dachbodentreppe und edlen Granitstufen dient als Blickfang vor allem ein altes Treppenelement, das unten renoviert und oben im Originalzustand belassen wurde. „Die Leute sehen die unrenovierten Stufen und sagen: So sieht es bei uns auch aus“, erzählt Marlies Friem. „Ein guter Aufhänger, um ins Gespräch zu kommen.“

Was im ersten Moment banal klingt, zählt zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren für einen gelungenen Messeauftritt. „Ein Messestand sollte die Kompetenz des Betriebs beispielhaft demonstrieren und das Standpersonal muss in der Lage sein, aus vagen Kontakten wirkliches Kundeninteresse entstehen zu lassen“, sagt Harald Kötter, Messeexperte beim Auma.

Für die Auswahl der Exponate bedeutet das: Nicht alles zeigen, was der Betrieb kann, sondern das demonstrieren, was besonders innovativ oder typisch für das Unternehmen ist. Am besten in Aktion: „Besondere Aufmerksamkeit ziehen Stände auf sich, an denen etwas vorgeführt wird“, sagt Kötter. Gerade im Handwerk gibt es hier viele Möglichkeiten: Wer eine spezielle Säge vorstellen will, lenkt etwa mit den Holzfiguren, die sich damit gestalten lassen, die Blicke auf sich. Ein Bäcker kann Messebesucher selbst Muffins dekorieren lassen – und dabei das Besondere der Zutaten erklären.

Aktionen für Besucher planen

„Selbst Gewerke, die auf den ersten Blick keinen Erlebniswert bieten, können hier punkten“, sagt Ludwig Rechenmacher, Leiter der Abteilung für Außenwirtschaft und Messen der Handwerkskammer Niederbayern. Wie die Spenglerei, die Besucher aus vorgeschnittenen Metallplatten Schiedsrichterpfeifen formen ließ und damit vor allem bei Jugendlichen große Begeisterung auslöste. „Das schafft nebenbei auch die Chance, sich als interessanter Arbeitgeber zu präsentieren“, so Rechenmacher. Doch selbst die witzigste Mitmach-Aktion nützt wenig, wenn das Messepublikum nicht zu den Produkten passt. Die Wahl der Messe bestimmt deshalb maßgeblich den zu erwartenden Erfolg. „Betriebe sollten erst die eigenen Messeziele definieren und dann eine Veranstaltung mit passender Besucherstruktur wählen“, rät Harald Kötter. „Wichtiger als die Größe sind das Thema und die Herkunft der Besucher.“

Messeprofi Rechenmacher empfiehlt, sich nicht nur auf die Informationen von Messegesellschaften zu verlassen, sondern frühere Teilnehmer zu befragen: „Wer niemanden kennt, nimmt sich das Ausstellerverzeichnis und ruft in Betrieben an, die dem eigenen ähneln. Dabei erhält man oft gute Auskünfte.“ Auch wenn auf Publikumsmessen schon einiges direkt am Stand verkauft wird, ist das Nachfassen der gesammelten Kontakte im Anschluss an die Veranstaltung mitentscheidend für den Gesamterfolg. „Viele Kunden entscheiden sich nicht gleich und möchten sich erst noch weiter informieren“, sagt Harald Kötter. Er rät, möglichst direkt im Anschluss an die Veranstaltung nachzuhaken: „Im Zweifel ist die Konkurrenz sonst nämlich schneller.“

Daten auf der Messe sammeln

Voraussetzung dafür ist, dass auf der Messe überhaupt Kontakte gesammelt wurden. Die meisten Betriebe verwenden dazu vorgedruckte Formulare, auf denen Adressdaten und Informationswünsche kurz notiert werden. Allerdings ist dabei heute inzwischen deutlich mehr Fingerspitzengefühl nötig als früher. „Die Leute geben nicht mehr gerne ihre Daten heraus“, sagt etwa Marlies Friem von Jowi-Holz-Innenausbau. „Immer mehr Interessenten nehmen einfach nur unseren Prospekt und melden sich dann von sich aus.“