Sozialversicherung Nie mehr Ärger mit der SOKA-Bau

Jährlich fallen Tausende von Klagen an, weil Betriebe sich weigern, Beiträge an die „Sonderkasse Bau“ (SOKA-Bau) zu zahlen. Jetzt soll eine Vereinbarung die Streitereien beenden und für Rechtssicherheit sorgen.

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    Überwiegen klassische Tischlerarbeiten, muss ein Betrieb keine Beiträge an die SOKA-Bau abführen.
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Klassischer Baubetrieb oder doch „nur“ Bau-Nebengewerbe? Was zunächst nach typischer Haarspalterei einer deutschen Behörde klingt, hat in der Praxis weitreichende Konsequenzen. Denn Baubetriebe müssen neben den üblichen Sozialabgaben auch Beiträge an die „Sozialkassen der Bauwirtschaft“ (SOKA-Bau) zahlen. Die von den Tarifpartnern der Baubranche eingerichtete Zusatzkasse soll die Nachteile der Branche wie Witterungsabhängigkeit und häufige Arbeitgeberwechsel abfedern, indem sie Baubetriebe bei der Ausbildung unterstützt sowie Urlaubs- und Rentenansprüche der Mitarbeiter sichert (mehr Infos siehe rechte Seite).

Einfach Zu unrecht abkassiert

„Unsere Betriebe wurden in der Vergangenheit oft zu Unrecht von der SOKA-Bau in Anspruch genommen, weil es keine Formel für eine saubere tarifliche Abgrenzung gab“, erklärt Ingolf Jakobi, Hauptgeschäftsführer beim Zentralverband der Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) in Frankfurt. Mit der Folge, dass viele Betriebe des Elektrohandwerks und der anderen Ausbaubranchen von der SOKA-Bau zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet wurden, weil sie arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichteten. Da die Beiträge bis zu vier Jahre rückwirkend eingetrieben werden können, sahen und sehen sich viele Chefs in ihrer Existenz bedroht. Jedes Jahr gab es mehr als 40.000 Klagen wegen vermeintlich ungerechtfertigter Beitragserhebung.

Betroffen sind nämlich nicht nur die per se als Innungsmitglieder an den Tarifvertrag gebundenen Betriebe, sondern die komplette Branche. Schließlich hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in schöner Regelmäßigkeit die Sozialkassen-Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt und damit neben den Bau-Innungsbetrieben auch die nicht tarifgebundenen Baubetriebe sowie das komplette Bau-Nebengewerbe einbezogen. Ein Vorgehen, das die Verbände des Bau-Nebengewerbes nicht länger hinnehmen wollten: Sie klagten vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG).

Mit Erfolg, wie die Urteile vom September 2016 und Januar 2017 zeigen: Die BAG-Richter erklärten die Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe für die Jahre 2008, 2010, 2012, 2013 und 2014 für unwirksam. Begründet wurde das von den Richtern mit Fehlern im Verfahren, doch Experten bezweifeln auch die inhaltliche Richtigkeit. „Das Ministerium hätte den Tarifvertrag niemals für allgemeinverbindlich erklären dürfen, denn hieran bestand offensichtlich kein öffentliches Interesse“, kommentiert Wolf J. Reuter, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei Beiten Burkhardt in Berlin, als Prozessbevollmächtigter des ZVEH das Urteil.

Die Hoffnung vieler Betriebe, dass sie die SOKA-Bau auf Rückzahlung der Beiträge für die von den Urteilen betroffenen Jahre verklagen können, war jedoch nur kurz: Mit dem Mitte Februar 2017 in Kraft getretenen Sozialkassensicherungsgesetz erklärte Arbeitsministerin Andrea Nahles kurzerhand den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren rückwirkend für allgemeinverbindlich und stellte damit den Zustand vor den beiden BAG-Urteilen wieder her. Rechtsanwalt Reuter, der bei der Expertenanhörung im Bundestag dabei war, hält das Gesetz zwar für verfassungswidrig, sieht aber außerhalb der Verbände des Bau-Nebengewerbes niemanden, der dagegen klagen könnte.
Die Verbände des Ausbauhandwerks – dazu gehören neben dem ZVEH der Bundesverband Metall, der Verband Tischler Schreiner Deutschland, der Zentralverband Raum und Ausstattung, der Zentralverband Sanitär Heizung Klima und der Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz – haben ihre durch die Urteile verbesserte Verhandlungsposition dazu genutzt, mit den Tarifpartnern der SOKA-Bau eine Vereinbarung zu schließen. Noch sind nach Auskunft von ZVEH-Chef Jakobi „nicht alle Details geklärt“, doch er ist zuversichtlich, dass die Innungsbetriebe künftig besser vor unberechtigten Zugriffen der SOKA-Bau geschützt werden können.

50-Prozent-Regel gilt weiter

Neben dem Kriterium der Innungsmitgliedschaft wird zwar auch künftig die 50-Prozent-Regel (mehr als die Hälfte der Arbeitszeit des Betriebs wird von ausgebildeten Baufacharbeitern erbracht) bei der fachlichen Einstufung gelten. Doch anders als früher sollen Abgrenzungsfragen frühzeitig und transparent zwischen der SOKA-Bau, dem Betrieb und der Innung geklärt werden. „Die Abgrenzungsschwierigkeiten lassen sich sicher nicht vollständig beseitigen, doch wir hoffen, dass sich die Zahl deutlich reduziert und die Verfahren harmonischer ablaufen“, formuliert Jakobi die Zielsetzung.

Ob die SOKA-Bau diesen Optimismus teilt, war leider nicht zu erfahren. Pressesprecher Michael Delmhorst wollte mit einer Stellungnahme abwarten, bis alle für die praktische Abwicklung wichtigen Detailfragen geklärt sind. Er versicherte aber, „dass wir die neu getroffene Vereinbarung ebenso konsequent beachten werden wie in der Vergangenheit die zwischen den Verbänden vereinbarten Einschränkungsklauseln zur Allgemeinverbindlichkeit“. Für Firmenchefs, die bereits einen Rechtsstreit gegen die Beitragserhebung durch die SOKA-Bau geführt haben, hört sich das fast schon wieder nach neuem Ungemach an.

Vergleich: Was die SOKA-Bau kostet und leistet

Die von den Tarifpartnern der Bauwirtschaft 1949 gegründete „Sonderkasse Bau“ (SOKA-Bau) sichert Urlaubs- und Rentenansprüche sowie die Ausbildung der Mitarbeiter. Träger sind der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, die Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt sowie der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes. Die SOKA-Bau betreibt im Auftrag der Tarifparteien der Bauwirtschaft die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse (ULAK) sowie die Zusatzversorgungskasse der Bauwirtschaft (ZVK), die der Altersvorsorge der Mitarbeiter dient.