Interview Die Entwicklung des Euro ist gefährlich

Wie steht es wirklich um den Euro? Greifen die Rettungsmaßnahmen? Was kommt auf die Konjunktur, die Unternehmer, die Anleger zu? Der Banker Matthias Wesseling spricht offen wie wenige.

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    Matthias Wesseling leitet seit 2005 das Bankhaus Bethmann in Köln. Die Bethmann Bank gehört zum niederländischen Konzern ABN Amro. Matthias Wesseling ist Sparkassen-Betriebswirt und CFP (zertifizierter Finanzberater). Er hatte diverse Führungspositionen bei großen Sparkassen inne und führte dort neue Private-Banking-Modelle ein.
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    „Durch die Eurokrise wird Wohlstand verloren gehen.“
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    Eigentlich darf kein Staat mehr als 80% seines Bruttoinlandsprodukts an Schulden haben.

„Lange Euroschwäche“

Selbst erfahrene Banker sind in diesen Zeiten nicht frei von Zweifeln. Nur wenige bekennen dies. Die Schuldenkrise führt in Europa zu Situationen an den Finanzmärkten, die neu und teils unbeherrschbar sind. Neue Rezepte sind gefragt, neue Strategien - aber auch unbequeme Wahrheiten. Der Direktor der Bethmann Bank in Köln, Matthias Wesseling, spricht sie aus.

handwerk magazin: Macht Ihnen der Zustand des Euros Sorgen?

Matthias Wesseling: Die Lage ist sehr ernst. Der Euro steht gewaltig unter Druck. Die Staatsschulden- und Bankenkrise wird den Euro verändern, ihn nachhaltig belasten.

Wie ist diese brenzlige Situation für den Euro entstanden?

Der Euro war eine gute Idee, wirtschaftlich aber leider nicht zu Ende gedacht. Es war von vorneherein ein gewagtes Unterfangen, eine Vielzahl von Ländern mit völlig unterschiedlichen, teilweise gegensätzlichen Startbedingungen unter dem Dach einer einzigen Währung prosperieren sehen zu wollen.

Wie beurteilen Sie die aktuellen Rettungsmaßnahmen?

Die aktuellen Maßnahmen der Notenbanken, künstlich niedrige Zinsen und Staatsanleihekäufe sowie Transferzahlungen und Konjunkturprogramme der Regierungen dienen bisher dem Versuch, über die nächsten 5-10 Jahre eine „erfolgreiche” Notlandung hinzubekommen. Eine schnelle Heilung ist völlig illusorisch.

Was erwartet uns in den nächsten Jahren?

Mehrere Jahre werden wir in Europa eine ausgeprägte Schwächephase erleben, was wirtschaftlich nur bedeuten kann, dass unser aller Lebensstandard rückläufig sein wird. Wir sind seit der Einführung des Euro von einem der Spitzenplätze bereits auf heute Platz 15 des globalen Wohlstandsindex zurückgefallen.

Was bedeutet das konkret für Unternehmer und Anleger?

Zum einen werden wir die europäische Solidarität auf die wirtschaftlich starken Schultern legen müssen. Das betrifft Länder wie Deutschland, die die Hauptlast tragen. Zum anderen sind private starke Vermögensinhaber gefragt. Dazu gehört auch jede Form von Zwangsmaßnahmen, wie sie das DIW in Form von Zwangsanleihen thematisiert hat. Hinzu könnten aber auch Zwangshypotheken, Kapitalverkehrskontrollen, Besitzverbote und Sondersteuern kommen. Irgendwo wird das Geld herkommen müssen.

Und was macht die EZB?

Sie wird die Zinsen so niedrig halten, dass wir nach Abzug von Inflation negative Realzinsen erleben werden. Zudem wird sie jederzeit bereit sein, weitere Staatsanleihen zu kaufen und mit dem Selbstverständnis des letzten, einzigen Retters leben müssen.

Sollte der europäische Rettungsschirm ESM nicht den Euro retten?

Ja, aber noch ist nicht klar, ob der ESM überhaupt verfassungsgemäß ist. Der Gedanke, dass eine uropäische Institution, deren handelnde Personen vollständige Immunität genießen, in den deutschen Staatssäckel greifen kann, beunruhigt mich schon sehr.

Was passiert mit all dem Geld, dass jetzt zur Verfügung gestellt wird?

Es bleibt bislang in wesentlichen Teilen in den Finanzmärkten, bei den Banken. Die große Gefahr ist aber, dass in der Zukunft dann zu viel Geld zu schnell in die Realwirtschaft hinüberschwappt - dann steigt die Inflation kräftig an.

Viele fürchten um ihre Ersparnisse.

Zu Recht. Es geht nur noch um den Erhalt des Kapitals - nicht um Vermehrung. Jeder sollte sein Kapital auf Bargeld, bonitätsstarke Unternehmensanleihen und Sachwerte wie Immobilien, physische Edelmetalle und Aktien verteilen.

Ab wann vertrauen die Finanzmärkte dem Euro wieder?

Dann, wenn der Euro – oder soll ich besser sagen ein neuer Teileuro – wirtschaftlich ausreichend homogen geworden ist. ◇

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