Genussscheine: Frisches Geld mit Kunden generieren

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Wer investieren will, braucht Geld. Für Betriebe mit vielen Kundenkontakten gibt es jetzt einen attraktiven Weg, die Eigenkapitalquote zu erhöhen: durch die Ausgabe von Genussscheinen.

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    © Rainer Lebherz
    Egon Stehle, ­Geschäftsführer der Brauerei Günther Lehner Stiftung, finanzierte das neue Sudhaus teilweise über Genussscheine.
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    © Mayer
    „Die Ausgabe von Genussscheinen ist längst nicht so teuer und komplex, wie viele glauben.“ Gernot Mayer, ­Unternehmensberater und Spezialist für die ­Finanzierung über Genussscheine.

Egon Stehle ist begeistert: Besser, so der Geschäftsführer der Brauerei Günther Lehner Stiftung, „hätte die Finanzierung des geplanten neuen Sudhauses gar nicht anlaufen können“. 600 000 Euro kostet das Projekt, 100 000 davon sammelte Stehle von seinen Kunden ein – und das in nur vier Wochen.

Auch Gernot Mayer, unabhängiger Finanzierungsexperte für Genussscheine, freut sich über die Erfolgsgeschichte seines Kunden, vor allem, weil sich die Brauerei für eine Finanzierungsform entschieden hat, die im Handwerk viel zu wenig Anwendung findet: die Ausgabe von Genussscheinen. Eine Methode, die sich, wie Mayer einschränkt, zwar nicht für jeden Betrieb eignet, die aber keineswegs so aufwändig und teuer sein muss, wie ihr nachgesagt wird.

Das Grundprinzip ist einfach: Unternehmen leihen sich Geld von Anlegern, ohne sie direkt an der Gesellschaft zu beteiligen oder ihnen Mitspracherechte zu gewähren. 250 Euro kostet ein Genussschein der Lehner-Brauerei. Vier Prozent Zinsen bekommen die Geldgeber im Jahr. Weitere 4,5 Prozent kosten den Betrieb Gestaltung und Verwaltung, die vorangegangene betriebswirtschaftliche Prüfung eingerechnet.

Auf den ersten Blick bedeutet dies für die Brauerei, dass die Kosten höher sind als für Bankkredite. Gleichzeitig, betont Berater Mayer, haben Genussscheine einen großen Vorteil. Es handelt sich um Mezzaninkapital: Über Genussscheine gesammeltes Geld wird von Banken zur Hälfte oder komplett als Eigenkapital anerkannt. Und je besser die Eigenkapitalquote ist, umso eher steigen Banken in eine spätere Kreditvergabe ein – zu besseren Konditionen. Steuerlich gelten Genussscheine dagegen als Fremdkapital. Daher sind die Zinsen steuerlich absetzbar. Dennoch kann Mayer die Skepsis vieler Handwerker verstehen. Denn es gibt unterschiedliche Möglichkeiten bei der Gestaltung von Genussscheinen. Dies liegt daran, dass die Ausgabe von Genussscheinen der Bafin-Prospektpflicht unterliegt, was mit vielen Auflagen verbunden ist Das ist auch der Grund, warum viele Finanzierungsexperten die Ausgabe von Genussscheinen erst bei Beträgen ab mehreren Millionen Euro empfehlen.

Ist die benötigte Summe aber nicht höher als 100 000 Euro pro Jahr, gibt es Gestaltungsmöglichkeiten, bei denen diese Prospektpflicht eben nicht gilt. Diese Freiheit, so Experte Mayer, bietet die Möglichkeit, die Finanzierung exakt auf die eigene Firma zuzuschneiden. Für Handwerksbetriebe besonders attraktiv: Die Rendite lässt sich in Form von Naturalien oder Warengutschriften auszahlen.

Rendite in Naturalien

Es kommt also nicht nur frisches Geld in den Betrieb, es wird auch mittel- bis langfristig mehr Umsatz generiert. Genussscheininhaber der Lehner-Brauerei bekommen ihre vier Prozent Zinsen im Jahr in Form von Bier ausgeschüttet. Zudem erhalten Genussscheininhaber drei Prozent Rabatt auf alle Produkte der Brauerei. Womit die Ausgabe gleichzeitig noch zur Kundenbindung beiträgt. Die Ausgabe von Genussscheinen sei immer dann vielversprechend, wenn es sich um eine Investition handelt, die Kunden, Lieferanten oder Mitarbeiter gerne unterstützen, sagt Mayer. Allerdings sollte der Betrieb in keiner finanziellen Schieflage sein. Denn zur Schuldentilgung sind Genussscheine keine Option. Wohl aber zur Bildung von Rücklagen, wenn die geplanten Investitionen noch in der Zukunft liegen.

Lehner-Geschäftsführer Stehle wertet die Ausgabe von Genussscheinen als Erfolg. „Wir haben nicht nur Geld eingesammelt, sondern auch den Kontakt zu unseren Kunden intensiviert.“ Grund genug, die Ausgabe im nächsten Jahr zu wiederholen. Angst, dass sich dann nicht mehr genügend Anleger finden, hat Stehle nicht. „Es gab viele Interessenten, die beim ersten Mal nicht zum Zug gekommen sind.“

Genussscheine in Kürze

Für Anleger sind Genussscheine nicht ohne ­Risiko. Für Betriebe, die Geld für Investitionen benötigen, überwiegen die Vorteile.

Definition. Genussscheine sind eine Mischform aus Aktien und Anleihen.

Konditionen. Unternehmen aller Rechtsformen können Genussscheine ausgeben. Das eingesammelte Kapital ist mit einer stillen Beteiligung vergleichbar. Das heißt, die Geldgeber haben keine Eigentümer- und keine Mitspracherechte. In der Regel wird ein fester Zins vereinbart. Die Höhe der Verzinsung kann auch an das Erreichen definierter Unternehmenskennziffern gekoppelt werden. Ebenso ist es möglich, Zinszahlungen so festzulegen, dass sie nur geleistet werden, wenn das Unternehmen im betreffenden Geschäftsjahr einen Gewinn erzielt. Beteiligungen an Verlusten sind möglich, werden aber oft ausgeschlossen.

Kosten. Um genügend Geld einzusammeln, empfehlen Experten Verzinsungen zwischen 6 und 8 Prozent. Hinzu kommen die Kosten für die Beratung von Finanzierungsspezialisten sowie bei Summen ab 100 000 Euro Kosten für die Erstellung eines Bafin-Verkaufsprospektes.

Laufzeiten. Die Rückzahlung des Grundkapitals erfolgt frühestens nach fünf Jahren. Es gibt begrenzte und unbegrenzte Laufzeiten, vorzeitige Kündigung kann vereinbart werden.

Anleger. Sie sind am Gewinn beteiligt und bekommen im Normalfall eine hohe Rendite. Sie tragen aber auch ein großes Risiko und sollten sich bei höheren Summen gut über den Ausgeber von Genussscheinen informieren. Im Falle einer Insolvenz oder der Liquidation des Betriebes bekommen sie ihr Geld erst zurück, nachdem alle anderen Gläubigeransprüche befriedigt wurden.