Consumer Facility Management (ConFM) Dienstleistungen als Chance: Handwerk all-inclusive

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Durch den demografischen Wandel entsteht ein Geschäftsfeld von umfassenden Dienstleistungen im Privathaushalt, die über die eigene Branche hinausgehen. Dieses "Gebäudemanagement", in Fachkreisen unter dem Dachbegriff Consumer Facility Management (ConFM) bekannt, ist eine Chance für viele Gewerke, nicht nur für Gebäudereiniger.

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    Consumer Facility Management (ConFM)
    © Illustration: Franz Scholz
    Privathaushalte haben für Handwerksbetriebe in Sachen Dienstleistungen ein großes Potenzial, nicht nur für Gebäudereiniger.
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    © Ilja Mess
    „Anders als bei Gewerbekunden muss man in Privathaushalten viel kommunikativer auftreten.“ Dietmar Vollmer, ­ Gebäudereiniger in ­Stühlingen, mit ­Hauswirtschafterin ­Katharina Tröndle.
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    © Kofler
    „ConFM hat großes Marktpotenzial, die Betriebe müssen aber von der Handwerks- zu einer Serviceausrichtung wechseln.“ Dr. Andrea Kofler, ­Dozentin für Facility ­Management an der ­Zürcher Hochschule für ­Angewandte Wissenschaften.

Morgens um halb neun klopft es an die Bürotür von Dietmar Vollmer. Der Geschäftsführer des Gebäudereiniger-Unternehmens Vollmer Gebäudereinigung aus dem baden-württembergischen Stühlingen direkt an der Schweizer Grenze hat den Besuch schon erwartet: Mit einem kurzen „Herein!“ begrüßt er seine Hauswirtschafterin Katharina Tröndle zur täglichen Lagebesprechung.

Der 48-Jährige geht einen anderen Weg als die meisten seiner Branche und hat sich unter anderem auf Dienstleistungen im Privathaushalt konzentriert. Dafür braucht er Fachkräfte, die urprünglich nicht im Gebäudereiniger-Gewerk zu Hause sind. „In den Meetings bespreche ich den Terminplan – bei Neukunden lege ich großen Wert darauf, dass die Hauswirtschafterin zur Absprache der Tätigkeiten mit dem Kunden immer vor Ort ist“, so Vollmer.

Vom Reinigungsunternehmen zum Gebäudemanager

Die angesprochenen Tätigkeiten gehen dabei weit über die gewöhnlichen Dienstleistungen eines Gebäudereinigers hinaus: Neben den Hauswirtschaftsdiensten bietet das Familienunternehmen Hausmeisterdienste, Gartenarbeit, Bügelservices und sogar Hol- und Bringdienste an, die mittlerweile zehn Prozent des Umsatzes ausmachen. Das Reinigungsunternehmen wird so zum „Gebäudemanager“ für Privathaushalte, für den sich in den letzten Jahren der neue Dachbegriff des „Consumer Facility Managements“ (ConFM) etabliert hat.

„Anders als bei Gewerbekunden muss man in Privathaushalten viel kommunikativer auftreten, daher haben wir alle Mitarbeiter in Form von Theaterstücken in Small Talk und aktiver Problemlösung schulen lassen“, erinnert sich der Chef von 300 Mitarbeitern, der in seinem neuen Geschäftsfeld sehr erfolgreich ist: „Derzeit haben wir 150 Privatkunden und verlangen je nach Dienstleistung 22 bis 33 Euro in der Stunde – ConFM hat großen Anteil an unserer zehnprozentigen Umsatzsteigerung im Vergleich zu 2013 .“

Dienstleister für alles rund ums Haus

Noch weiter geht Nils Bogdol. Der Geschäftsführer des Gebäudereinigerunternehmens RayFM im niedersächsischen Holdorf bietet neben der Reinigung nicht nur Gartenarbeit und Hol- und Bringdienste an, sondern auch Catering, Gebäudeinstandhaltung und Energiemanagement sowie Sanierung und sogar Buchhaltungsaufgaben. Dazu organisiert das Unternehmen mit 3.800 Mitarbeitern die Versorgung mit Heizöl oder Erdgas und übernimmt Sicherheits- sowie Überwachungsaufgaben. „Unser Konzept ist, dass wir alle Dinge rund ums Haus leisten können“, erklärt Bogdol und fügt hinzu: „Auf die Idee, ConFM anzubieten, kamen wir aufgrund von Nachfragen aus der Wirtschaft – durch eine älter werdende Gesellschaft und vor allem mehr Singles wurde ein gewisser Marktdruck aufgebaut .“ RayFM erzielt 105.000 Euro Umsatz jährlich durch das Geschäftsmodell.

Demografischer Wandel als Chance

Auch die Dozentin für Facility Management an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften , Andrea Kofler, sieht in Dienstleistungen im Privathaushalt großes Marktpotenzial: „Der demografische Wandel sollte als Chance gesehen werden. Fast jeder Zweite ab 65 Jahren könnte sich Unterstützung durch Dritte im Alltag vorstellen, 37 Prozent davon sogar täglich. 40 Prozent dieser Gruppe würden Reinigungsdienstleistungen begrüßen, um Angehörige zu entlasten“, erklärt Kofler, „Voraussetzung ist aber ein hohes Maß an Empathie, die Betriebe müssen von der Handwerks- zu einer Serviceausrichtung wechseln .“

Das sieht auch Frank Kühn-Gerhard so. Der Projektleiter „Servicewelten“ der Handwerkskammer Münster stellt vermehrt einen Wechsel in den Köpfen der Kunden fest: „In der serviceaffinen Altersgruppe der 50- bis 60-Jährigen findet das Thema Haushaltsdienstleistungen immer mehr Anklang, viele sehen im Alter eine Überforderung an neuen Technologien und Alltagsanforderungen auf sich zukommen und haben auch das passende Kleingeld für ConFM“, sagt der 50-Jährige und ergänzt: „Potenzial sehe ich vor allem in der Unterstützung bei Gartenarbeit, Glasreinigung und Einkäufen – der Handwerker wird ein Bündler verschiedener Dienstleistungen .“ Ein Tipp: Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen liefert passend zu dieser neuen Rolle des Handwerks eine Datenbank für haushaltsnahe Dienstleistungen, die Firmen die Möglichkeit eröffnet, ihren Service einem breiten Publikum anzubieten.

Raumausstatter als Gebäudereiniger

Für haushaltsnahe Dienstleistungen über das Gewerk hinaus ist auch Erika Roth. Die Raumausstatterin aus Owingen am Bodensee beweist, dass das neue Geschäftsfeld nicht nur Chancen für Gebäudereiniger bietet: „Wir weisen schon vor dem ersten Arbeitsschritt auf die Option hin, regelmäßig für eine Wohnungsreinigung zurückzukommen – vor allem Senioren, die sich nicht mehr bücken können, nutzen diesen Service“, so die 44-Jährige, „dadurch machen wir fast 20 Prozent des Umsatzes außerhalb unseres Kernbereichs .“ Sorgen ums Geschäft müssen sich Gebäudereiniger wie Dietmar Vollmer aber nicht machen: „Wir sind da keine Konkurrenz, 85 Prozent der Reinigungsaufträge kommen von Bestandskunden“, betont Roth.

Vollmer sieht die Risiken für sein Gewerk ohnehin woanders: „Die Entwicklungen dürfen nicht verschlafen werden, dem demografischen Wandel müssen sich früher oder später alle Gebäudereiniger öffnen“, sagt Vollmer kurz nach Beendigung des morgendlichen Meetings. „Ich habe die Erfahrung selbst gemacht: Vor vier Jahren wurde ich für meine ConFM-Idee noch ausgelacht, heute halte ich darüber Vorträge beim Zukunftsforum der Gebäudereiniger .“