Zukunftsorientierung Die Macht der Bits und Bytes

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BIM und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Die baden-württembergische Studie „Dialog und Perspek­tive Handwerk 2025“ misst der Digitalisierung von Abläufen und Planungswerkzeugen große Bedeutung bei.

Ewald Heinen, stellvertretender Leiter des itb Institut für Technik der Betriebsführung im DHI e.V. in Karlsruhe: »In den neuen Netzwerken müssen Betriebe ihre Position definieren.« - © Michael Bamberger

Die Digitalisierung verursacht einen tief greifenden Wandel in Gesellschaft und Kundenverhalten“, sagt Ewald Heinen. Für den Forscher beim Karlsruher itb – Institut für Technik der Betriebsführung im DHI e.V. und einer der Autoren der Studie „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“ sind auch die Handwerksunternehmen hiervon betroffen. Und zwar ganz besonders.

Das ist eines der Ergebnisse der groß angelegten Studie „Strategiekonzept und Handlungsfelder Handwerk 2025“, welche das baden-württembergische Wirtschaftsministerium und der Handwerkstag zur Zukunft des Handwerks im Südwesten beauftragt hatten und die im Januar veröffentlicht wurde. Realisiert wurde die Studie von den Handwerksinstituten itb in Karlsruhe und dem ifh, dem Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen e.V. Bearbeitet wurden insgesamt neun Innovationsfelder (wir berichteten in der vorherigen Ausgabe).

Digitalisierung noch Neuland

„Die Betriebe werden gezwungen, Anpassungen vorzunehmen, sowohl an ein verändertes, auch internationales Marktumfeld, als auch bei der eigenen Arbeitsorganisation und -gestaltung sowie des strategischen Managements“, resümiert Heinen.

Doch damit tun sich viele Handwerksunternehmer noch sehr schwer. Bereits in drei Jahren werden in der Gesamtgesellschaft die „Digital Natives“ die Mehrheit ausmachen, also jene nach 1985 geborene Generation, die mit Internet und Digitalisierung aufgewachsen ist. Im Handwerk werden dagegen 2020 nach wie vor die vor 1985 geborenen Betriebsinhaber die Mehrheit bilden (siehe Schaubild). Und für diese „Bewohner der alten Gutenberg-Galaxis“, in der Informationen praktisch ausschließlich in gedruckter Form geboten wurden, ist die digitale Welt häufig noch absolutes Neuland. Und wird nicht selten sogar weltanschaulich abgelehnt. Dabei werden sich durch die zunehmende Digitalisierung die Wertschöpfungsnetzwerke nicht nur neu ordnen, sondern sich auch vermehrt neue Wertschöpfungsketten bilden, auch unter dem Einfluss von Partnern außerhalb des Handwerks, wie Lieferanten, Abnehmern oder IT-Spezialisten, heißt es in der Studie. Und das gilt in Baden-Württemberg besonders für die Betriebe, die für die Automobilindustrie arbeiten.

„In diesen neuen Netzwerken müssten Handwerksunternehmen rechtzeitig ihre Position definieren, um nicht in eine untergeordnete Rolle gedrängt zu werden“, fasst die Studie zusammen. Neben Informationstechnologie können und sollen hier Kooperationen helfen. Und zwar nicht nur für die reine Leistungsumsetzung, sondern auch für Produkt- und Dienstleistungsentwicklung, im Bereich des Einkaufs und der Beschaffung, des Marketings und der Weiterbildung.

Mehr Kanäle, mehr Möglichkeiten

Dabei werden die Innungen allgemein als geeignete Einrichtungen zur Förderung des regionalen Austauschs innerhalb eines Handwerks gesehen. Regionale Netzwerke von Betrieben mit Forschungseinrichtungen und der regionalen Wirtschaftsför­derung wie auch Clusterinitiativen müssten unterstützt und der Wissens- und Erfahrungsaustausch in beide Richtungen sichergestellt werden.

Im Zusammenhang mit der Neugestaltung der Geschäftsmodelle und -prozesse stellt die Studie beim Kunden einen „stärker werdenden Wunsch nach Alles-aus-einer-Hand-Leistungen“ fest. Dem könnte etwa durch kooperativ organisierte Online-Plattformen begegnet werden, die dem Kunden Komplettdienstleistungen anbieten. Beim Kunden sehen die Forscher ein immer heterogeneres kommunikatives Verhalten: Mehr Kanäle schaffen mehr Möglichkeiten. Hier könnten durch digitalisierte Prozesse eine mögliche Zeitersparnis und Qualitätserhöhung sowohl in der Leistungserstellung als auch in der Administration und Dokumentation realisiert werden.

Eine große Herausforderung ist es auch, gegenüber den Kommunikationsinteressen und -möglichkeiten der Kunden mit den jeweils passenden Strategien zu reagieren und dabei die Erwartung einer schnellen Reaktion zu erfüllen. Das Verhalten der Nutzer auf der Homepage des Unternehmens sollte, bei Bedarf mit externer fachlicher Unterstützung, ausgewertet werden, um diese kundenspezifische Reaktion zu ermöglichen und dabei, erst recht in der digitalen Welt, Emotionen und den Zuwachs an persönlichen Erlebnissen zur Kundenbindung nutzen zu können.

Positiv wird die Möglichkeit gesehen, durch den Einsatz IT-gestützter Systeme die Produktivität zu erhöhen oder die Kundenansprache und die Visualisierung von Leistungsangeboten zu verbessern, wie etwa mit digitalem Aufmaß, „virtuellem“ Innenausbau oder dem Bau-Planungsstandard BIM (Building Informa­tion Modeling).

BIM wird Planungs-Standard

Building Information Modeling beschreibt eine Methode, mithilfe von Software die Planung, die Bauausführung und die Bewirtschaftung von Gebäuden oder einzelnen Wohneinheiten zu optimieren. Dabei werden alle relevanten Daten erfasst, digitalisiert, kombiniert und miteinander vernetzt. Durch diese Datengrundlage können Aufträge besser geplant und umgesetzt werden. Zudem ermöglicht das virtuelle Modell eine neue Form der Kundenberatung.

Für Betriebe der Bau- und Ausbauhandwerke wirft die Studie hier die Frage auf, wie ein handwerksspezifischer Umgang mit Bauwerksinformationsmodellen, insbesondere digitalen 3D-Gebäude-, Termin- und Kostenmodellen sichergestellt und die Anpassung an den von größeren Unternehmen und Planern bereits begonnenen Übergang zu BIM reibungslos vollzogen werden kann. Hierzu sind in den vielfach kleinen Unternehmen Anpassungen der Arbeits- und Innovationsprozesse erforderlich. Denn die Unterstützung des BIM-Standards wird Pflicht für öffentliche Ausschreibungen.

Digitalisierung

Produktentwicklung: Digitalisierung nutzen, um neue und individuellere Produkte und Leistungen zu realisieren.

Big Data: Kunden- und Auftragsdaten nutzen, damit Informationswertschöpfung zum Bestandteil des Geschäftsmodells werden kann.

Ressourcen: IT-Fachkräfte in die Betriebe holen oder über externe Dienstleister zukaufen. Kooperationen und Vernetzung auch über das Handwerk hinaus.

Building Information Modeling

Know-how: BIM wird Pflicht für öffentliche Ausschreibungen. Fortbildungen machen, Fördermöglichkeiten recherchieren.

Evaluation: Software-Lösungen recherchieren, Implementierung durchführen. IT-Sicherheit und Datenschutz klären/regeln.

Effizienz: Produktivitätsfortschritt sowie Kostenverlagerung bei BIM beachten und konsequent nutzen. Beratung und Planungs-Dienstleistungen ausbauen.