Betriebsprüfung Die Kasse muss stimmen

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Kassensysteme

Der Fiskus hat die Anforderungen an Kassensysteme verschärft, um Manipulationen zu erschweren. Viele Betrieb mussten daher bis zum Jahresanfang umrüsten. Keine leichte Aufgabe - auch wegen erheblicher Rechtsunsicherheit.

© Patricia Chumillas Rodri/iStockphoto

Am Jahresende lief eine wichtige Frist ab: Laut einer Anweisung des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010 sind manipulationsanfällige alte Kassen, die nicht jede einzelne Einnahme, sondern lediglich die kompletten Tagessummen speichern können, nur noch bis zum 31. Dezember 2016 erlaubt (IV A 4 – S 0316/08/10004-07). Das trifft Tausende Betriebe in ganz Deutschland.

Betriebsprüfer in Lauerstellung

Über den Stichtag hinaus alte Kassensysteme einzusetzen ist brandgefährlich. „Betriebsprüfer können die Buchführung dann als nicht ordnungsgemäß einstufen und mit diesem Argument deutlich höhere Einnahmen schätzen“, warnt Torsten Lenk. Der Vorstand der ETL Systeme AG Steuerberatungsgesellschaft in Berlin erwartet, dass Prüfer die Kassensysteme ab 2017 noch intensiver unter die Lupe nehmen als bisher.

„Schon jetzt fragen sie vor jeder Betriebsprüfung ab, welches Kassensystem eingesetzt wird“, so Lenk. „In vielen Finanzämtern gibt es inzwischen Spezialisten, die sich sehr genau mit den verschiedenen Typen und ihren Funktionsweisen auskennen.“ Neben den Gastronomen, die beim Fiskus seit jeher unter Generalverdacht stehen, müssten zahlreiche weitere Branchen mit einer verschärften Gangart rechnen, so Lenk. „Sobald ein Betrieb mehr als zehn Prozent des Umsatzes in bar macht, gilt er als bargeldintensiv.“

Tricksereien bei der Kassenführung

Allerdings ist noch nicht klar, wie lange die neuen Kassen eingesetzt werden können – oder ob womöglich bald eine erneute Investition nötig ist. Denn die nächste Verschärfung der Rechtslage naht bereits: Parallel zur ablaufenden Übergangsfrist für Alt-Kassen hat das BMF ein „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ auf den Weg gebracht, das seit Juli als Regierungsentwurf vorliegt.

Das Ziel der Ministerialbeamten: Sie wollen nicht nur besonders manipulationsanfällige Geräte aus dem Verkehr ­ziehen, sondern sämtliche Tricksereien ausschließen. In Zukunft müssen Kassensysteme deshalb nicht nur Einzel-Um­sätze speichern, sondern auch so konstruiert sein, dass eine nachträgliche Veränderung von Daten – etwa mithilfe von Schummelsoftware - nahezu unmöglich ist. Kein Wunder, denn Kassenbetrug sorgt für erhebliche Ausfälle bei der Einkommen-, Körperschafts- und Mehrwertsteuer. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) schätzt den jährlichen Schaden für den Fiskus auf fünf bis zehn Milliarden Euro.

Das Problem: Der Gesetzentwurf enthält keine detaillierten Vorgaben für Kassensysteme. Stattdessen setzt die Bundesregierung auf eine „technologieoffene Lösung“. Die Hersteller sollen also selbst Modelle entwickeln, die eine nachträgliche Änderung gespeicherter Daten ausschließen, und diese vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifizieren lassen. Das ist aber noch nicht möglich. „Es gibt derzeit keine Kassensysteme, die die künftigen Anforderungen erfüllen“, warnt ETL-Vorstand Lenk. Schlimmstenfalls müssten Mittelständler, die jetzt umrüsten, also schon in sechs Jahren wieder neue Kassen anschaffen – für mehrere Tausend Euro pro Stück.

Kassen-Daten in der Cloud

Immerhin: Die neuen Vorgaben sollen erst ab 2020 gelten, und für zwischen 2010 und Ende 2016 angeschaffte Kassen ist laut Lenk eine Übergangsfrist bis Ende 2022 vorgesehen. Zudem lässt sich das Risiko teurer Neuanschaffungen reduzieren, indem Unternehmer jetzt Systeme auswählen, die nachrüstbar sind.

Viele Unternehmer entscheiden sich deshalb für Kassen, die auf den „InSiKa“-Standard gebracht werden können. Bei dieser „integrierten Sicherheitslösung für messwertverarbeitende Kassensysteme“, die die Physikalisch-Technische Bundesanstalt bereits 2012 entwickelt hat, sorgt eine angeschlossene Smartcard mit spezieller Verschlüsselungstechnik dafür, dass jeder Einzelumsatz fälschungssicher registriert wird.

Eine Alternative sind Kassen, die Daten automatisch an einen externen Speicherplatz („Cloud“) übertragen und den Zeitpunkt der Übertragung und etwaige weitere Veränderung protokollieren. „Wer solche Systeme auswählt, dürfte auf der sicheren Seite sein“, sagt Lenk von ETL. „Um die zukünftigen Anforderungen zu erfüllen, reicht dann höchstwahrscheinlich ein Software-Update.“

Diese Alternativen gibt es zusätzlich

Zudem kommen Billigkassen infrage, die zwar die ab 2017 geltenden Anforderungen erfüllen, aber darüber hinaus nur die nötigsten Funktionen bieten. „Solche Kassen gibt es für 400 bis 600 Euro“, berichtet Liebers von Kalicom. „Wenn man sie in sechs Jahren ersetzen muss, ist das zu verschmerzen.“ Auf diese Variante würden derzeit viele Floristen setzen, weil sie sich schlicht keine Investition im mittleren vierstelligen Bereich leisten können.

Andere Unternehmer nutzen eine Lücke im Gesetz und schaffen eine „offene Ladenkasse“ – also eine Geldschublade – an. Laut der Umfrage der IHK Niedersachsen setzen immerhin 2,6 Prozent der Betriebe auf diese Lösung und profitieren davon, dass das neue Gesetz keine „Registrierkassenpflicht“ vorsieht. Offene Kassen, für die die neuen Vorschriften mangels digitaler Datenspeicherung logischerweise nicht gelten, bleiben also auch über 2020 hinaus erlaubt.

Lenk von ETL warnt jedoch vor der vermeintlich einfachsten Lösung: „Moderne Kassen reduzieren den bürokratischen Aufwand und bieten Zusatzfunktionen, die die Steuerung eines Unternehmens deutlich erleichtern.“

Ab 2020 unangekündigte Kassen-Kontrollejn

Hinzu kommt: Betriebsprüfer werden in solchen Fällen besonders genau prüfen, ob das Kassenbuch stimmt. Und von 2020 an können sie dies jederzeit machen: Das Gesetz sieht unangekündigte Kassen-Kontrollen („Kassen-Nachschau“) durch die Finanzämter vor. Und wenn die Beamten Unregelmäßigkeiten entdecken, können sie umgehend eine Betriebsprüfung einleiten.

„Zudem dürfen sie ab 2020 Bußgelder von bis zu 25.000 Euro verhängen, wenn eine Kasse nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht“, sagt Lenk.

Wer jetzt meint, er könnte noch vier Jahre weiter tricksen, sollte aber gewarnt sein. Die Luft für Manipulateure ist längst dünner geworden, weil der Fiskus einen Weg gefunden hat, viele von ihnen auf einen Schlag zu überführen. Wie das funktioniert, zeigt ein Fall aus Baden-Württemberg: Im Juni beantragte die Staatsanwaltschaft Mannheim „Unternehmensgeldbußen“ von 850.000 bzw. 150.000 Euro gegen zwei Softwareunternehmen.

Finger weg von Schummelsoftware

Der Vorwurf: Sie haben Kassensysteme vertrieben, die mithilfe einer Schummelsoftware manipuliert werden konnten. Die sogenannten „Zapper“-Programme – meist auf einem USB-Stick gespeichert, der an die Kasse angeschlossen wird, hatte das Unternehmen zwar nicht selbst verkauft, aber: „Die Verantwortlichen der Software-Unternehmen sollen zumindest das Bereitstellen dieser speziellen Programmfunktion durch Mitarbeiter des Unternehmens gebilligt haben“, so die Staatsanwaltschaft.

Wie Steuerfahnder berichten, ist das ein klassischer Fall: Vertriebs mitarbeiter der Anbieter von Kassensystemen bringen zur Installation der Kasse einen Zapper mit – offiziell ohne Wissen ihres Arbeitgebers, de facto aber mit dessen Billigung. „Viele Kunden verlangen Kassen, die sie manipulieren können“, berichtet ein Marktkenner. „Jahrelang war es deshalb Usus, dass Mitarbeiter unter der Hand Zapper lieferten.“

Wenn Betriebsprüfer einen Unternehmer überführen, kommt es oft zu einem Dominoeffekt. Um das Strafmaß zu senken, gibt der Betroffene den Namen des Zapper-Verkäufers preis – und der wiederum gibt die anderen preis, denen er die Schummel-Software verkauft hat. „In der Regel kooperieren die Beschuldigten in vollem Umfang und nennen zahlreiche Namen“, sagt ein Steuerfahnder. Im Baden-Württemberg-Fall ist das offenbar bereits geschehen: Bei den jeweils „örtlich zuständigen Strafverfolgungsbehörden“ liefen bereits Er mittlungen gegen „einzelne Händler“, die die Zapper eingesetzt hätten.

Bloß kein Excel verwenden

Was bei der Dokumentation und Archivierung von Bareinnahmen im Unternehmen zu beachten ist. Und in welchen Fällen Betriebsprüfer auch mal ein Auge zudrücken.

Geld-Schubladen

Offene Ladenkassen bleiben auch in Zukunft erlaubt. Allerdings müssen Unternehmer dann ein gesondertes Kassenbuch führen, in dem sie Bareinnahmen, -ausgaben sowie Privateinlagen und -entnahmen notieren. Kassenberichte in Form von Programmen wie Excel akzeptieren Betriebsprüfer nicht, weil die Daten manipuliert werden können. Bareinnahmen und -ausgaben müssen täglich aufgezeichnet werden. In einigen Fällen drücken Betriebsprüfer aber ein Auge zu – zum Beispiel, wenn Unternehmer wegen einer Nachtschicht erst am nächsten Tag dazu kommen. Von 2020 an sollen diese Ausnahmen aber wegfallen.

Moderne Kassen

Registrier- und PC-Kassen – de facto Computer mit Kassenfunktion – haben den Vorteil, dass sie Einnahmen automatisch aufzeichnen. Diese müssen zudem für zehn Jahre digital gespeichert werden – und zwar „in maschinell auswertbarer Form“. Bei Betriebsprüfungen müssen Unternehmer in der Regel zahlreiche weitere Unterlagen vorlegen – zum Beispiel die „Stammdaten der Grundprogrammierung“ sowie Änderungsprotokolle, wenn die Kasse umprogrammiert wurde. Die meisten Steuerberater haben Checklisten für die verschiedenen Kassensysteme. Dort wird detailliert aufgelistet, was jeweils aufzubewahren ist.