Brexit Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Austritt von Großbritannien aus der EU

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Großbritannien wird der EU den Rücken kehren. Was bedeutet das für den Export, die Konjunktur, die private Geldanlage und den Euro? Die wichtigsten Fragen und die ersten Einschätzungen zum Brexit.

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Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) scheint beschlossene Sache. Die Konsequenzen des Brexits sind schwer absehbar. Es gibt keine Erfahrungen, kein Vorbild. Verträge müssen neu verhandelt, Geschäftsbeziehungen auf eine neue Basis gestellt werden. Die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien werden sich zwei Jahre hinziehen. Wie dann die Beziehungen zwischen EU-Ländern und dem Königreich aussehen, steht heute noch nicht fest. handwerk magazin gibt einen ersten Überblick.

1. Welchen Einfluss hat das Brexit-Referendum auf die Konjunktur in Deutschland?

Der Brexit wird der deutschen Wirtschaft in diesem und im nächsten Jahr wahrscheinlich nur einen kleinen Dämpfer versetzen. Das geht aus Berechnungen des Ifo-Instituts hervor. Demnach wird das Wachstum 2016 um 0,1 Prozentpunkte niedriger ausfallen. 2017 bis 0,2 Prozentpunkte weniger. Dieser kleine Einbruch ergibt sich laut der Ifo-Experten durch schwächere Exporte und Investitionen. „Das ist ein eher geringer Effekt. Er würde den Aufschwung, in dem sich die deutsche Wirtschaft seit nunmehr drei Jahren befindet, nicht gefährden“, sagt Timo Wollmershäuser, kommissarischer Leiter des Ifo-Zentrums in München.

2. Wird es für die Wirtschaft einen Exportschock geben?

Großbritannien ist für Deutschland ein wichtiger Handelspartner. Deutschland exportierte 2015 Waren im Wert von rund 90 Milliarden Euro ins Königreich. 2.500 deutsche Firmen haben Niederlassungen auf der Insel. Entsprechend geschockt zeigte sich die deutsche Wirtschaft vom Brexit-Votum. Einen kräftigen Rückgang der deutschen Exporte nach Großbritannien erwartet aktuell der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Hatte der Wirtschaftsverband noch kürzlich ein deutliches Exportplus von fünf Prozent 2016 verkündet, so geht der Verband jetzt von einem Minus von einem Prozent in diesem und fünf Prozent im nächsten Jahr aus. „Der Brexit schadet auf Dauer der deutschen Wirtschaft“, sagte dazu Verbandspräsident Eric Schweitzer.

3. Welche Branchen wird der Brexit besonders hart treffen?

Deutschlands Maschinenbauer fürchten um einen ihrer wichtigsten Exportmärkte. Laut Angaben des Branchenverbandes VDMA lieferten deutsche Hersteller 2015 Maschinen im Wert von 7,2 Milliarden Euro nach Großbritannien und sind damit der wichtigste Maschinenlieferant Großbritanniens.
Ähnlich sieht es in der Automobil- und Elektroindustrie aus: Jedes fünfte in Deutschland produzierte Auto geht nach Angaben des Branchenverbandes VDA ins Vereinigte Königreich. Autos deutscher Konzernmarken haben danach auf der Insel einen Marktanteil von gut 50 Prozent. BMW verkaufte in Großbritannien im vergangenen Jahr 236.000 Autos. Das waren mehr als zehn Prozent des weltweiten Absatzes. Bei Audi waren es neun, bei Mercedes acht und beim VW-Konzern insgesamt sechs Prozent.
Auch die Elektroindustrie ist vom Brexit betroffen. Dem Branchenverband ZVEI zufolge lieferten deutsche Hersteller im vergangenen Jahr Elektroprodukte im Wert von 9,9 Milliarden Euro nach Großbritannien.

4. Welche Konsequenzen hat der Austritt für das Handwerk?

Laut ZDH liegt der Exportanteil handwerklicher Leistungen bei insgesamt acht Prozent. In welchem Umfang das Handwerk im Königreich engagiert ist, ist nicht bekannt. Bei einem Austritt könnte der Aufwand für die exportierenden Betriebe aufwändiger werden. Jürgen Schäfer, Geschäftsführer von Handwerk International Baden-Württemberg, befürchtet, dass wieder Zölle eingeführt werden: „Die Arbeitnehmerfreizügigkeit und Investitionsschutzregelungen würden infrage gestellt. Lieferungen müssten nach Einführung von Zöllen teurer werden, ob Montagen wegen erhöhter Personalkosten auch teurer würden, ist noch offen. Der wichtige Markt für Handwerksbetriebe im hochwertigen Innenausbau im Großraum London könnte zum Teil wegbrechen.“
Auch die Handwerkskammer für Schwaben sieht das Votum mit Sorge. „Großbritannien ist zweitgrößter Handelspartner von Bayern. Deutsche Waren werden dort künftig teurer. Das britische Pfund ist schon eingebrochen. Im Handwerk arbeiten viele Firmen, speziell aus dem Metallbereich, als verlängerte Werkbank der Industrie, und sie werden den Ausstieg zu spüren bekommen: in Form von Umsatzeinbrüchen oder erschwerter Geschäftsabwicklung“, so Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der HWK Schwaben.

5. Werden Unternehmen jetzt Investitionen zurückstellen?

Die KfW geht von einer aufkommenden Unsicherheit bei deutschen Unternehmen aus. „Das Brexit-Votum wird der wieder aufkeimenden Investitionsbereitschaft der deutschen Wirtschaft einen Dämpfer versetzen. Die Unternehmen dürften einen Teil ihrer bereits geplanten Investitionen ‚auf Eis‘ legen“, erwartet Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW Bankengruppe. Zeuner geht davon aus, dass aber nur kurzfristige Irritationen entstehen: „Die sehr robuste Konjunktur in Deutschland wird nur eine Delle durchlaufen, nicht aber in die Rezession abrutschen.“

6. Was sollten Privatanleger jetzt beachten?

Handwerksunternehmer, die in Aktien investiert haben, ärgern sich vielleicht über Kursstürze der vergangenen Wochen und fragen sich, wie es weitergeht. Sie sollten langfristig denken. Auch nach der Finanzkrise 2008 haben sich die Kurse weltweit wieder erholt. Wer zum Beispiel Geld bei der Bank of Scotland angelegt hat, sollte wissen, dass im Fall einer Pleite die britische Einlagensicherung greift: bis 75.000 Pfund.