Buchführung Formelle Fehler kommen teuer

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Das Finanzamt verlangt neuerdings eine exakte und voll­ständige Dokumentation der betrieblichen Abläufe. Unternehmern, die dem nicht nachkommen, drohen horrende Nachzahlungen.

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    © Tim Wegner
    „Wir sind zer­tifiziert und ­haben bereits ein umfassendes Handbuch zu unseren Arbeitsabläufen.“ Gerald und Michael ­Hübner, ­Geschäftsführer der Gerald Hübner GmbH in Lohr am Main.
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    © Hubl
    „Unternehmer sollten ihre Prozesse optimieren und eine vollständige Verfahrensdokumentation erstellen.“ Oliver Hubl, ­Steuerberater in Alfter bei Bonn.

Der Malerbetrieb Gerald Hübner GmbH in Lohr am Main ist nach der Norm ISO 9001/14001 zertifiziert. Deshalb haben Gerald, Michael und Barbara Hübner, Geschäftsführer der Firma mit 15 Mitarbeitern, in einem elektronischen Handbuch sämtliche Arbeitsabläufe sowie jede eingesetzte Software dokumentiert. Damit ist das Führungstrio gegenüber dem Finanzamt schon ganz gut aufgestellt. Hintergrund: Der Fiskus will sich einen genauen Einblick in die Organisation jeder Firma verschaffen können – und zwar mittels einer sogenannten Verfahrensdokumentation. Im Prinzip handelt es sich dabei um nichts anderes als ein umfassendes und lückenloses Handbuch der Arbeitsabläufe.

Verfahrensdokumentation wichtig

Jegliche Software, die zum Beispiel dazu genutzt wird, Angebote oder Rechnungen zu schreiben, alle Zugriffsrechte auf steuerlich relevante Dateien und Ordner, jedes Detail der internen Rechnungsprüfung: Der Betriebsprüfer will derartige Informationen elektronisch oder auf Papier in einer Kladde aufgezeichnet haben.

Die sogenannte Verfahrensdokumentation wird jetzt extrem wichtig . „Denn liegt sie bei der nächsten Betriebsprüfung nicht vor und findet der Finanzbeamte kleinste Fehler in der Buchführung, dann kann er gezwungen sein, gleich hohe Zuschätzungen vorzunehmen“, warnt Oliver Hubl, Steuerberater der Kanzlei Hubl & Partner in Alfter bei Bonn. Die Kanzlei betreut zahlreiche Handwerksbetriebe. Im vergangenen Monat informierte sie ihre Mandanten auf einer Veranstaltung eigens, worauf Firmenchefs bei der Verfahrensdokumentation achten sollten. Zwar hängt es derzeit noch von der Gangart des jeweiligen Sachgebietsleiters im Finanzamt ab, wie scharf die Betriebsprüfer vorgehen. In wenigen Jahren aber dürfte die Finanzverwaltung fast überall auf ein solches Handbuch pochen.

In NRW und Rheinland-Pfalz wurden Unternehmer bereits wegen einer fehlenden Dokumentation gerügt. Ein Betriebsprüfer forderte die Expertise von einem Heizungs- und Sanitärmeister gleich zum Einstieg in die Betriebsprüfung. Der Unternehmer war blank. Der Beamte sah für sich daraufhin sofort gute Chancen, den erzielten Umsatz hoch zu schätzen. „Eine fehlende oder auch eine unvollständige Verfahrensdokumentation sehen wir als Einfallstor für den Fiskus, Nachzahlungen zu fordern“, warnt Hubl. Es geht in der Diskussion mit den Fiskaldienern dann nicht mehr in erster Linie um steuerliche Fragen, etwa ob ein Betriebsmittel noch steuerlich anerkannt wird, weil es vielleicht auch privat genutzt wird. Es kommen vielmehr formelle Mängel ins Spiel .

Risiko doppelte Rechnungsnummern

Angenommen ein Unternehmer hat eine Rechnungsnummer mehrfach vergeben oder womöglich gar nicht. Der Betriebsprüfer kann das einfach und schnell ermitteln. Liegt darüber hinaus keine Verfahrensdokumentation vor, wird der Fiskaldiener künftig sofort die gesamte Buchführung verwerfen und den Umsatz der Firma höher ansetzen. „Die Spannbreite liegt bei einem Aufschlag zwischen zwei und zehn Prozent“, so Hubl.

Kein Handwerkschef braucht darauf zu hoffen, dass der Betriebsprüfer über den kleinen Fehler bei der Fakturierung hinwegsieht – selbst wenn es sonst nichts zu beanstanden gibt. Allein das Fehlen einer Verfahrensdokumentation wird als ein so schwerer Mangel gewertet, dass keine anderen Nachlässigkeiten mehr hinzukommen sollten.

Das Thema hat also Brisanz. Handwerksunternehmer gehen jetzt am besten in zwei Schritten vor: Zum einen erstellen sie in den nächsten Monaten eine Verfahrensdokumentation. Das ist keine unlösbare, aber mitunter eine recht aufwendige Aufgabe. Sie erfassen, in welchen Bereichen EDV eingesetzt wird – vermutlich in der Finanzbuchhaltung, in der Betriebsabrechnung, in der Materialwirtschaft bis hin zum Einkauf, aber auch bei der Rechnungsstellung und der Belegsicherung. Der Unternehmer vermerkt, welche Hardware der Betrieb nutzt – beispielsweise mit welchem Scanner Belege digitalisiert werden.

Ebenso gilt es die Software zu beschreiben, mit der zum Beispiel Angebote erstellt werden oder die Lohnbuchhaltung abgewickelt wird. Auch die Warenwirtschaft oder das Kassensystem sind zu erfassen. Falls eine Software individuell für den Betrieb von einem IT-Spezialisten angepasst wurde, sollte das Einrichtungsprotokoll mit in die Verfahrensdokumentation aufgenommen werden. Der Fiskus will auch wissen, wer in der Firma auf welche Dateien und Programme Zugriff hat.

Verfahrensdokumentation rund drei Tage Arbeit

„Wir gehen davon aus, dass in vielen handwerklichen Betrieben innerhalb von drei Arbeitstagen eine Verfahrensdokumentation erstellt werden kann“, erklärt Dirk Poschmann, Geschäftsführer der Firma Subvenio GmbH im rheinischen Reichshof-Brüchermühle. Der EDV-Spezialist unterstützt seit vielen Jahren mittelständische Handwerksunternehmen bei der Analyse ihrer kaufmännischen Arbeitsabläufe sowie bei der Erstellung und Verwaltung der Verfahrensdokumentation.

Der Experte rät: „Firmenchefs sollten nicht nur ihren Aufwand und die Kosten sehen, sondern die Potenziale nutzen.“ Kluge Unternehmer nehmen die Dokumentation zum Anlass, ihre Prozesse zu optimieren. Beispiel: Nach den GoBD müssen alle Daten in der Firma unveränderbar gespeichert, sämtliche Änderungen für den Betriebsprüfer nachvollziehbar sein . „Wenn Handwerksunternehmer ihre Rechnungen mit Word schreiben, erfüllen sie diese Vorgaben der Finanzverwaltung nicht“, warnt Carsten Schulz, geschäftsführender Partner der Henniges Schulz & Partner Steuerberatungsgesellschaft in Hannover, mit 61 anderen HSP-Standorten eine der führenden Kanzleigruppen in Deutschland.

Word und Excel anfällig für Manipulationen

Word-Dateien können nach dem Ausdrucken und Versenden schließlich beliebig korrigiert und angepasst werden, ohne dass der Betriebsprüfer die einzelnen Schritte nachvollziehen kann.

„Firmenchefs, die heute noch so arbeiten, gehen ein hohes Risiko ein. Word und Excel gelten bei der Finanzverwaltung als anfällig für Manipulationen“, meint Schulz. Er empfiehlt, auf ein Programm umzusteigen, das Änderungen dokumentiert und zum Beispiel erkennt, wenn Rechnungsnummern doppelt vergeben werden. Lücken im System bestehen in vielen Handwerksfirmen ebenso bei ihrer elektronischen Registrierkasse oder deren Verknüpfungen zur Warenwirtschaft. Die Unveränderbarkeit der Daten und die Nachprüfbarkeit müssen auch hier immer gewährleistet sein.

Fazit: Handwerkschefs sollten die Ist-Situation im Betrieb analysieren. Anschließend beseitigen sie Schwachstellen in der Buchführung und erstellen dann die geforderte Verfahrensdokumentation. „Danach braucht sie dann nur noch auf dem aktuellen Stand gehalten zu werden – alle Neuerungen und Änderungen sind fortzuschreiben“, so Steuerberater Schulz.

Musterformulierung: Die Kasse kurz erklärt

Fleischer, Friseure, Juweliere, Optiker: Viele Branchen arbeiten mit einem elektronischen Kassensystem. So könnte der Part in der ­Doku­mentation zum jeweiligen Tagesabschluss formuliert sein:

Der Tagesabschluss wird am Ende der Öffnungszeiten des Geschäftes oder des Salons vom jeweiligen Mitarbeiter durchgeführt. Unsere Kassensoftware bietet einen digitalen Abschluss an. Auf dem Bildschirm wird das Kassenzählprotokoll aufgerufen. Der Mitarbeiter trägt die Anzahl des jeweiligen Hart- und Papiergeldes ein. Es findet ein Soll-Ist-Vergleich in puncto Bargeldbestand statt. Kassendifferenzen werden am nächsten Tag geklärt. Kleindifferenzen bis 5 Euro buchen wir aus. Das Zählprotokoll wird dann eingescannt und zusammen mit den eingescannten Belegen zur Datev übermittelt.

Was in die Verfahrensdokumentation gehört

Sobald steuerlich relevante Software im Unternehmen eingesetzt wird, schreibt der Fiskus eine Verfahrensdokumentation vor. Unternehmen zeichnen hier auf, wie sie Belege und Dokumente empfangen, erfassen, verarbeiten und aufbewahren. Die Kanzlei Hubl & Partner in Alfter hat in Kooperation mit dem IT-Spezialisten Subvenio GmbH dazu eine Checkliste entwickelt. U.a. diese Fragen sollten sich Firmenchefs vorab stellen.

Wer steht als Auskunftsperson für die EDV zur Verfügung?

Der Unternehmer bestimmt einen Mitarbeiter, der die Fragen des Betriebsprüfers später beantwortet.

Wo kommt die EDV zum Einsatz?

Es geht darum zu ermitteln, welche kaufmännische Software der Betrieb nutzt sowie welche Aufgaben mit dieser erledigt werden. Falls ein Programm mehr Funktionen aufweist, als die Firma braucht, sollte das präzise in der Dokumentation vermerkt und erläutert werden.

Welche Dokumentationen liegen zu einzelnen Programmen vor?

Testprotokolle, Fehlerlisten, Arbeitsanweisungen, Freigaben – diese sind im Handbuch für den Prüfer zu archivieren. Das Finanzamt will auch wissen, wer sich um die Wartung der Software kümmert.

Welche Hardware wird genutzt?

Elektronische Kassen, iPads, ggf. Smartphones – falls diese betrieblich im Einsatz sind, gehört eine Beschreibung der einzelnen Modelle in die Verfahrensdokumentation.

Wie wird mit Kunden oder Lieferanten kommuniziert?

Im Leitfaden sollte auch beschrieben sein, mit welchen Mailprogrammen der Betrieb arbeitet sowie ob die Firma über Intranet verfügt und wer Zugang zum Internet hat.

Welche Archivierungsmedien werden genutzt?

Falls Belege eingescannt werden, sind die jeweiligen Datenträger zu nennen – CD-Rom, Mikrofilm, externe Festplatten.

Wie werden die Daten maschinell ausgewertet und gegen Verlust, Fälschungen oder Reproduktion geschützt?

Auch hier geht es wieder um eine Beschreibung der eingesetzten Software sowie der einzelnen Arbeitsschritte.

Wie und von wem werden Prozesse kontrolliert?

Es folgt ­eine Erläuterung des internen Kontrollsystems in der Firma. Bei einem Systemwechsel ist beispielsweise zu prüfen, ob die neue Variante noch dem dokumentierten entspricht. Schutzmaßnahmen gegen beabsichtigte oder unbeabsichtigte Fälschungen von Programmen, Daten oder Dokumenten sind mit aufzuführen.