Berufsunfähigkeit: Kunden drohen Beitragserhöhungen

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Berufsunfähigkeitsversicherung

Die Sparte der Lebensversicherungen leidet seit längerem unter den niedrigen Zinsen am Finanzmarkt. Das könnte jetzt auch zu deutlichen Preissteigerungen beim Berufsunfähigkeitsschutz führen. Betroffen sind auch Altkunden.

Die niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt haben Auswirkungen auf den Versicherungsmarkt. - © © Photographee.eu - Fotolia.com

„Im schlimmsten Fall müssen alle Kunden mit Schutz gegen Berufsunfähigkeit im Schnitt mit einer Prämienerhöhung von 250 Euro pro Jahr rechnen“, warnt Reiner Will von der Ratingagentur Assekurata in Köln. Das wäre eine Beitragserhöhung von 43 Prozent. Im Schnitt würden heute Angestellte mit einer Absicherung von 12.000 Euro pro Jahr rund 581 Euro Prämie zahlen. In Einzelfällen kann die Prämie aber noch deutlich mehr steigen. Sogar eine Verdopplung ist möglich.

Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gibt es rund 17 Millionen Berufsunfähigkeitspolicen. Die Absicherung gilt auch bei Verbraucherschützern als notwendig. Sie sichert den Lebensstandard, wenn der Kunde wegen Krankheit oder Unfall nicht mehr arbeiten kann.

Reformgesetz der Lebensversicherung hat Konsequenzen

Hintergrund der möglichen Preisanpassungen ist ein Reformgesetz, das die Lebensversicherung insgesamt stabilisieren soll. Damit ist es den Assekuranzen seit Januar 2015 erlaubt, bei Engpässen auch Überschüsse aus anderen Bereichen zu verrechnen. „Diese bisher in der Öffentlichkeit wenig beachtete Regelung könne dazu führen, dass die bisher auskömmlich kalkulierte Berufsunfähigkeitsversicherung von der Krise der Lebensversicherung infiziert wird“, warnte Will.

Um Altkunden in der Lebensversicherung hohe Garantien zu gewährleisten, könnten die Mittel für Berufsunfähigkeitsversicherte zweckentfremdet werden. „Man sollte daher darüber nachdecken, ob das neue Recht tatsächlich gerecht ist“, sagte Will.

Das ist möglich, weil die Verträge in fast allen Fällen eine sogenannte Höchstprämie vorsehen. Zahlen müssen die Kunden aber viel weniger. Sie profitieren von hohen Risikogewinnen, weil deutlich weniger Menschen berufsunfähig werden, als die Versicherer kalkuliert haben. Fallen künftig diese wichtigen Risikogewinne an die Lebensversicherungskunden, sind deutliche Prämiensteigerungen die Folge.

Niedrigzinsphase birgt Risiken für alle Kunden

Außerdem befürchtet die Ratingagentur Assekurata, dass die Versicherer bei den Rentenzahlungen restriktiver werden. „Die Kunden hätten dann jahrelang für eine teuren Schutz bezahlt, der am Ende nichts bringt“, warnte Will. Nach Einschätzung von der Analysten von Assekurata steigt das Risiko, das Versicherer auf die fremde Überschüsse zugreifen müssen, durch die Niedrigzinsphase ständig an. „Die Versicherer brauchen für die Querverrechnung zudem keine Erlaubnis der Aufsichtsbehörde“, so Will.

Kunden mit einer Berufsunfähigkeitspolice können sich gegen steigende Beiträge kaum wehren. Eine Absenkung der abgesicherten Rente ist kaum sinnvoll, weil dann beim Jobverlust durch Krankheit oder Unfall, der Lebensstandard kaum aufrechterhalten werden kann. Auch ein Wechsel zu einem günstigeren Anbieter ist meist nicht mehr möglich, weil eine intensive Gesundheitsprüfung Voraussetzung für den Abschluss einer Police ist.

Neukunden sollten sich genau informieren

Älter Kunden müssten bei einem Wechsel außerdem mit einem hohen Risikozuschlag oder gar einer Ablehnung rechnen. Allein Neukunden können sich auf die mögliche Misere bei der Berufsunfähigkeitsversicherung vorbereiten. Sie sollten, so der Rat der Experten, einen möglichst finanzstarken Lebensversicherer auswählen und sich künftig an der Höchstprämie orientieren. Versicherungsvergleiche allein auf Basis der abgesenkten Prämie, dem sogenannten aktuellen Zahlbeitrag, hätten somit keinen Wert mehr.