Tarifanalyse Berufsunfähigkeitsversicherung: Die Arbeitskraft richtig absichern

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Berufsunfähigkeitsversicherung, Erwerbsminderungsrente und Lebensversicherung

Oft teuer, immer existenzsichernd, tatsächlich unverzichtbar: privater Arbeitskraftschutz. Wer den Markt genau untersucht, kann sparen. Und wer einen Meister hat, spart nochmal mehr. Die aktuelle Tarifanalyse von handwerk magazin plus Ranking der Besten.

Frank Lüdtke, Kfz-Mechaniker,
Frank Lüdtke, Kfz-Mechaniker, über seine Berufsunfähigkeitsversicherung, die ihn 16 Jahre lang finanziell unterstützte. - © Franz Fender

Schaden macht klug, das gilt wohl nicht nur für Frank Lüdtke. Der Lkw-Mechaniker würde heute eine „bessere“ Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen, als er es zu Beginn seiner Berufstätigkeit tat. „Auf jeden Fall hätte ich die Versicherungssumme höher wählen sollen“, resümiert Lüdtke, der in der Nähe von Hannover lebt. Auch das Kleingedruckte würde er heute aufmerksamer lesen. In seiner Police stand, dass der Versicherer auf einen anderen Beruf verweisen darf, in dem der Kranke, ihrer Auffassung nach, noch arbeiten kann.

Als er mit 26 Jahren einen schweren Unfall erleidet und seine Hand nicht mehr gebrauchen kann, greift sein Versicherungsschutz. Bis zu einer erfolgreichen Umschulung erhält er 16 Jahre lang eine Berufsunfähigkeitsrente. Die fällt aber eben wegen der zu geringen Versicherungssumme trotz regelmäßiger Erhöhung mäßig aus. Im letzten Bezugsjahr im Alter von 42 Jahren werden ihm lediglich 900 Euro monatlich ausbezahlt.

Lüdtke ist kein Einzelfall, Unterversicherung bei der Berufsunfähigkeit (BU) ist eher trauriger Standard. Nach Schätzung der Zurich Versicherung liegt die private Durchschnittsabsicherung bei 1.100 Euro pro Monat. In Großstädten reicht das gerade für die Miete. Als guter Schutz gilt eine Absicherung von 80 Prozent des Nettogehaltes .

Berufsunfähigkeitsversicherung bleibt ein Muss

Immerhin, Kfz-Mechaniker Lüdtke war versichert. Das ist heute nicht einmal jeder Zweite. Von 44 Millionen Menschen, die in Deutschland erwerbstätig sind, haben nur rund 40 Prozent den Verlust ihres Einkommens abgesichert, wie das Allensbach Institut 2018 ermittelte. Bei Handwerkern dürfte die Quote noch schlechter ausfallen. Sie zahlen im Vergleich zu Büroangestellten deutlich mehr Prämie für den BU-Schutz. Wer eine Grunderkrankung hat, muss zudem mit Risikozuschlägen oder gar Ausschlüssen rechnen. Trotzdem gilt die private Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung) bei Verbraucherschützern als der beste Schutz. „Sie ist notwendig“ appelliert auch der größte Versicherungskritiker des Landes, Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten ( BdV). Der Schutz sollte möglichst in jungen, gesunden Jahren abgeschlossen werden, um sich günstige Prämien zu sichern.

Der Staat hilft nicht

Die staatliche Erwerbsminderungsrente reicht meist nicht aus, das Existenzminimum zu sichern. Zudem gibt es gesetzlich längst keinen Berufsschutz mehr – wer mindestens drei Stunden irgendeiner Tätigkeit nachgehen kann, wird von der gesetzlichen Rentenversicherung zum Arbeiten verpflichtet.

Anders meist die Regelungen der privaten BU-Police: Aus ihr wird eine Rente gezahlt, wenn dem Beruf nicht mehr als zu 50 Prozent der normalen Arbeitszeit nachgegangen werden kann. Doch Vorsicht, die Versicherungsklauseln können anderes vorsehen, wie etwa im Fall von Kfz-Mechaniker Lüdtke. „Geprüft wird der Leistungsfall anhand des vorherigen Leistungsvermögens im ausgeübten Beruf“, erläutert Versicherungsmakler Matthias Helberg aus Osnabrück. „Kann sich etwa ein Handwerks meister aufgrund von Augenproblemen höchstens noch fünf Stunden konzentrieren, ist er berufsunfähig, wenn er früher über zehn Stunden voll aktiv war.“ Grund für eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit können Unfall, Krankheit oder psychische Leiden sein. Die Psyche ist heute in rund 33 Prozent der Fälle die Ursache für Berufsunfähigkeit, wie das Analysehaus Morgan & Morgan festgestellt hat.

Testergebnisse

Alter, Gesundheitszustand, Gewerk und Qualifikation sind die wichtigsten Kriterien für die Berechnung der Prämien – und die Höhe der Leistung im Versicherungsfall. Um im Ernstfall finanziell gut abgesichert zu sein, haben wir für unseren Vergleichstest eine BU-Rente von 1.600 Euro für einen 30-jährigen Handwerker abgeschlossen. Das deckt 80 Prozent eines Nettoeinkommens von 2.000 Euro ab. Die ermittelten Tarife gelten auch für Frauen. Erste Erkenntnis: Es gibt große Preisunterschiede für angestellte Handwerker. So zahlt ein Werkzeugmechaniker unter diesen Bedingungen monatlich 97 Euro, ein Schreiner 136 Euro und ein Dachdecker 238 Euro. Wer Raucher ist, zahlt mehr.

Risikoberufler, wie der Dachdecker, müssen wohl auf abgespeckte Tarife setzen – oder einen Grundfähigkeits- oder Schwere-Krankheiten-Schutz anstelle der BU wählen. Dabei wird eine Kapitalzahlung für den Versicherungsfall vereinbart, die es ermöglichen soll, bis zum Renteneintritt den bisherigen Lebensstandard zu halten. Diese Policen haben gegenüber dem BU-Schutz drei Vorteile: Die Gesundheitsprüfung ist leichter, der Beruf spielt keine Rolle und die Leistungsauslösung ist klar definiert: Erkrankt der Versicherte an einer in den Bedingungen aufgeführten Krankheit oder verliert er eine Grundfähigkeit, zahlt der Versicherer die vereinbarte Kapitalleistung. Die Nachteile: Der Versicherte muss schwer erkrankt sein, damit die Police greift. Und nicht alle Krankheiten sind versichert. „Psychische Leiden sind beispielsweise ebenso wie ‚Rücken‘ meist ausgeschlossen“, warnt Versicherungsberater Frank Golfels aus Greven.

Meister/-innen zahlen weniger

Unternehmer und Meister können hingegen voll auf eine BU-Versicherung setzen. Unser Test zeigt, dass es einen deutlichen Meister-Bonus gibt. Höherqualifizierte stellen nach Erfahrung der Versicherer ein deutlich geringeres Risiko dar: Für den Schreiner- und den Dachdecker meister ist der Top-Schutz günstiger als für angestellte Handwerker. So zahlen die beiden Meister pro Monat für den gleichen Schutz von 1.600 Euro lediglich 122 Euro beziehungsweise 134 Euro. Der „einfache“ Dachdecker muss somit gegenüber dem Meister knapp die 1,8-fache Prämie zahlen. Der Grund: Je höher die Bildung und je verantwortungsvoller die Tätigkeit, desto geringer ist das Risiko. „Je nach konkreter Tätigkeit können die Nachlässe beim gleichen Beruf deutlich sein“, bestätigt Jacques Wasserfall, Vorstand der Zurich Gruppe Deutschland.

Der Blick ins Kleingedruckte

Was im Fall von Frank Lüdtke der Zwang zur beruflichen Neuorientierung ist, ist bei Selbstständigen die sogenannte Umorganisationsklausel. „Die ist immer problematisch für Inhaber“, warnt Versicherungsmakler Gerd Kemnitz, der für unseren Test die Tarife der Meister erhoben hat. Diese Klausel erlaubt es den Versicherern, im Leistungsfall zu prüfen, ob durch eine zumutbare und wirtschaftlich sinnvolle Umorganisation der betrieblichen Abläufe der bisherige Beruf weiter ausgeübt werden kann. Ist das ihrer Meinung nach der Fall, gibt es keine BU-Rente. Kemnitz: „Ungünstige oder schwammige Formulierungen in den Verträgen können zu langwierigen Streitigkeiten führen.“ Sein Tipp: Definieren Sie, dass eine Umorganisation unzumutbar ist, wenn dadurch eine Einkommenseinbuße von mehr als 20 Prozent eintreten würde. Wenn es sich um einen Betrieb mit höchstens fünf Mitarbeitern handelt, verzichten viele BU-Tarife ohnehin auf die Umorganisation.

Hohe Einkommen versichern

Gutverdienende Handwerker haben ein spezielles Problem: Viele Versicherer versichern im Standardverfahren nur Jahresnettoeinkommen von bis zu 24.000 Euro, also maximal 1.600 Euro Rente. Eine aktuelle Auswertung des Job-Portals Step-stone zeigt aber, dass beispielsweise Meister in Stuttgart im Schnitt 58.600 Euro verdienen. Nach Steuern sind das für einen verheirateten Meister rund 48.000 Euro Nettoeinkommen. Der geforderten Absicherung von 80 Prozent des Einkommens würde eine Rente von 3.200 Euro bedeuten. Hier müssen Handwerker individuell verhandeln: „Bestehen keine weiteren Versorgungsansprüche ist dies ein Wert, den die Versicherer nach einer finanziellen Angemessenheitsprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit noch versichern“, erläutert Experte Kemnitz. Achtung: Bei der Beantragung von BU-Renten über 2.500 Euro ist meist eine ärztliche Untersuchung erforderlich. Dabei werden auch zeitlich unbefristete Fragen zur Gesundheit gestellt. Da manche Erkrankungen viele Jahre zurückliegen, werden sie oft vergessen – ein Fehler, der teuer werden kann, da die Versicherung im Schadenfall genau prüft und nicht zahlt, sollte sie fündig werden.

Ärger vermeiden

Ärger im Leistungsfall ist fast Standard. Meist wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen – also vergessener früherer Erkrankungen. „Nach Jahren, in denen sich der Versicherte abgesichert fühlt, zückt die Assekuranz bei Anmeldung der Berufsunfähigkeit plötzlich seinen Gesundheitsfragen-Joker und tritt wegen falscher oder unvollständiger Angaben vom Vertragsabschluss zurück“, weiß – und kritisiert – Jörg Elsner, Fachanwalt für Versicherungsrecht aus Hagen. Der Kunde bekommt dann nicht nur keine Rente, sondern hat auch alle seine Prämien verloren. Immer wieder gibt es wegen solcher Fälle Beschwerden beim Versicherungsombudsmann. Daher raten Experten bei der Beantwortung von Gesundheitsfragen nicht nur zu akribischer Genauigkeit, sondern empfehlen schon vor Antragsstellung den Abschluss einer Rechtschutzversicherung. Dann kann man notfalls auf Augenhöhe und ohne Kostenrisiko mit der Assekuranz streiten. Kemnitz rät: „Wer unbefristete Fragen vermeiden möchte, sollte statt einer großen BU-Versicherung besser zwei kleine bei unterschiedlichen Versicherungsgesellschaften beantragen.“ Die finanzielle Angemessenheitsprüfung könne man damit zwar nicht umgehen, aber es müssten dann nur die im Antrag gestellten, zeitlich befristeten Standardfragen beantwortet werden.

Dynamik und Nachversicherung

Wichtig für alle Versicherten ist die Garantie der Nachversicherung bei bestimmten Anlässen, wie etwa Heirat, Wechsel in die Selbstständigkeit, Kauf einer Immobilie oder Abschluss eines Studiums. Alle Toptarife haben dieses. Handwerker sollten bei Abschluss der Police unbedingt eine Dynamik für den Leistungsfall vereinbaren, üblich sind ein bis drei Prozent. Sie sorgt dafür, dass es bei jahrelanger Berufsunfähigkeit einen Inflationsausgleich gibt – wie auch bei Frank Lüdtke. „Die Versicherer lassen sich diesen Zusatzbaustein aber sehr gut bezahlen“, schränkt Experte Kemnitz ein. Für unseren Musterfall Dachdecker meister lag der Aufschlag für zwei Prozent garantierter Rentensteigerung zwischen 15 und 19 Prozent. Tipp von Kemnitz: „Reduzieren Sie nicht die Berufsunfähigkeitsrente oder die Versicherungsdauer, um den Zusatzbeitrag für die garantierte Leistungsdynamik bezahlen zu können.“ Ein Verzicht ist in diesen Fällen besser.

Viele Details bestimmen darüber, ob ein Versicherter den für seine Situation richtigen Schutz erhält – professionelle Beratung durch einen Versicherungsmakler hilft, Fehler zu vermeiden.

Was der Staat bei Berufsunfähigkeit leistet

Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, fällt in Deutschland hart. Der Staat bietet keinen Berufsschutz mehr für Berufstätige, die ab dem 2. Januar 1961 geboren, also heute jünger als 57 Jahre alt sind. Nur wer nicht mehr in der Lage ist, mindestens drei Stunden am Tag irgendeiner Beschäftigung nachzugehen, erhält eine kleine Rente. Dabei spielt der erlernte Beruf keine Rolle. Die halbe Rente erhalten diejenigen, die länger als drei Stunden, aber kürzer als sechs Stunden arbeiten können.

Unser Test

  • Die Tester
    Morgen & Morgen ist ein Analysehaus für Versicherungsprodukte, das seit 30 Jahren für Klarheit im Datendschungel der unterschiedlichsten Tarife sorgen möchte. Die Analysen sind neutral und beruhen auf aktuellen Daten.

    Gerd Kemnitz arbeitet als ungebundener Versicherungsmakler im sächsischen Stollberg und hat sich 2002 auf Berufsunfähigkeitsversicherungen spezialisiert. Er erhält für die erfolgreiche Vermittlung von Versicherungsverträgen eine Courtage, die bereits in der Prämie eines Versicherungsvertrags eingerechnet ist. Auf seiner Website können Besucher einen eigenen Vergleich zu Berufsunfähigkeitsversicherungen durchführen, der nicht nur die Beitragshöhe, sondern auch die Versicherungsbedingungen berücksichtigt. bu-portal24.de
  • Der Test
    Das Analysehaus Morgen & Morgen und der Versicherungsmakler Gerd Kemnitz (bu-portal24.de) haben nach Vorgaben von handwerk magazin die aktuell günstigsten Angebote für die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung) für die zwei Handwerksberufe Dachdecker und Schreiner ermittelt. Während Morgen & Morgen die Analyse für angestellte Handwerker durchführte, hat Experte Kemnitz sie für Meister erstellt.
  • Der Musterfall
    Versichert wurde ein 30-Jähriger, der einen BU-Schutz von 1.600 Euro erhält. Mit einem Gewicht von 75 kg und einer Größe von 1,75 Meter hat er Normalgewicht (BMI 24), zudem ist er Nichtraucher. Er hat einen Realschulabschluss. Die Meister arbeiten zu 60 Prozent körperlich und haben Personalverantwortung für drei Mitarbeiter.
  • Tarifübersicht und Mindestanforderung
    Alle Tarife bieten bis zum 67. Lebensjahr Schutz. Die Analyse deckt einen Großteil des Angebots am deutschen Markt ab. Grundsätzlich gibt es in allen Tarifen eine Leistung, wenn aufgrund von Krankheit, Kräfteverfall oder Unfall der Handwerker in seiner Berufsausübung zu mindestens 50 Prozent eingeschränkt ist. Die Spalte ‚mögliche Dynamik der BU-Rente‘ zeigt, um welchen Prozentwert sich die vereinbarte Rente bei Auszahlung auf Basis aktueller Berechnung erhöhen wird (Prognose der Anbieter).

    Für die meisten Tarife gilt, dass der Kunde einen deutlich geringeren aktuellen Zahlbeitrag als den im Vertrag vereinbarten Höchstbeitrag zahlt. Der Grund: Die meisten Assekuranzen geben ihre Risikogewinne, die entstehen, weil weniger Versicherte als kalkuliert berufsunfähig werden, als Sofortrabatt an die Kunden weiter. Sollten diese Risikogewinne in der Zukunft wegfallen, darf der Versicherer bis zum maximalen Höchstbeitrag die Prämien erhöhen. Daher hat handwerk magazin zudem die Spanne zwischen aktuellem Zahlbeitrag und Höchstbeitrag ermittelt und den möglichen Aufschlag in Prozent dargestellt. Eine geringe Spanne und ein geringerer Prozentwert bieten eine höhere Sicherheit.

    In der Übersicht werden die ersten zehn Tarife von Morgen & Morgen dargestellt. Alle Tarife im Rating von Morgen & Morgen haben die Höchstbewertung von fünf Sternen. Die Darstellung von Makler Kemnitz (Meister-Verträge) umfasst sieben Tarife. Sie enthalten folgende sieben Mindestanforderungen: Verzicht des Versicherers auf abstrakte Verweisung, einen auf sechs Monate verkürzten Prognosezeitraum, rückwirkende Leistung nach sechsmonatiger Berufsunfähigkeit, rückwirkende Leistung bei verspäteter Meldung, Verzicht auf Kündigung oder Vertragsanpassung bei unverschuldeter Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, weltweiten Versicherungsschutz, eine zumutbare Arztanordnungsklausel.

    Zudem wurde für die Analyse der selbstständigen Meister geprüft, ob der Tarif bei Kleinbetrieben bis fünf Personen auf die sogenannte Umorganisationsklausel verzichtet. Die Bedingungen sind somit besonders hochwertig und schützen den Handwerker umfassend.