Bereitschaft Urlaub: Wann Sie Ihre Mitarbeiter kontaktieren dürfen

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Arbeitsrecht und Urlaub

Smartphone, Laptop oder Tablet: Die Technik macht es möglich, Mitarbeiter auch im Urlaub jederzeit und überall zu erreichen. Aber darf der Arbeitgeber einfach anrufen oder Rückantwort auf eine E-Mail oder SMS erwarten? Chef-Know-how rund um die Erreichbarkeit des Mitarbeiters, der gerade die schönste Zeit des Jahres genießt.

Ihre Mitarbeiter sollten Handwerksunternehmer nur im Notfall anrufen. - © Franck Boston - Fotolia.com

Der Chef hat eine dringende Frage, ein Vertrag ist nicht aufzufinden, ein Passwort funktioniert nicht ... Darf der Arbeitgeber deshalb seine Mitarbeiter auch im Urlaub anrufen, eine Mail schicken und erwarten, dass der Mitarbeiter im Urlaub regelmäßig seine Mails checkt? Antwort: Er darf schon, aber er darf nicht damit rechnen, dass der Mitarbeiter auch antwortet. Das Bundesurlaubsgesetz ist da in seinem § 1 eindeutig: Jeder Beschäftigte hat Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Erholung ist nicht gewährleistet, wenn der Beschäftigte ständig damit rechnen muss, zur Arbeit abgerufen zu werden. Das Beantworten von Telefonaten, Kurznachrichten und E-Mails ist nämlich auch Arbeit und beeinträchtigt die Erholung.

Darf der Chef in Notfällen anrufen?

Grundsätzlich gilt: Kein Arbeitnehmer ist dazu verpflichte, im Urlaub für seinen Chef erreichbar zu sein. Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung, das Handy mitzunehmen, Anrufe entgegenzunehmen oder während des Urlaubs das E-Mail-Postfach zu checken. Der Mitarbeiter muss nicht einmal die Urlaubsadresse in seiner Firma hinterlegen.

Das hat auch das Bundesarbeitsgericht bestätigt: Ein Arbeitgeber darf den Urlaub eines Mitarbeiters nur bei „zwingenden Notwendigkeiten, die einen anderen Ausweg nicht zulassen“ abbrechen oder unterbrechen lassen (Az. 9 AZR – 405/99). Was aber gilt als Notfall? Der Mitarbeiter kennt bestimmte Passwörter. Weil er darüber niemanden im Betrieb informiert hat, können seine Kollegen nicht weiterarbeiten. Oder: Der Geschäftsbetrieb ist gefährdet. In solchen Fällen darf der Unternehmer auf dem Handy anrufen, um nach dem Passwort zu fragen. Betriebliche Engpässe allein reichen hierfür nicht. Es muss sich dann um eine Art Existenzbedrohung des Arbeitgebers handeln, die nur der Arbeitnehmer, der sich im Urlaub befindet, abwenden kann.

Wichtig: Wenn auf Anweisung des Chefs während des Urlaubs telefoniert, gemailt oder anderweitig gearbeitet wird, gilt diese Zeit als Arbeitszeit. Denn wer arbeitet, kann sich nicht erholen. Das heißt: Diese Arbeit muss regulär bezahlt und der Urlaub entsprechend nachgeholt werden. Das gilt übrigens auch für Führungskräfte, soweit sie Arbeitnehmer sind.

Wenn Mitarbeiter in besonderen Fällen während ihres Urlaubs für den Betrieb tätig werden, können sie einen zusätzlichen Urlaubstag verlangen. Das gilt auch dann, wenn sie sich nur wenige Stunden für den Betrieb eingesetzt haben.

Kann der Chef Mitarbeiter aus dem Urlaub zurückrufen?

Die Antwort: ein klares „Jein“: Wenn der Arbeitgeber Urlaub gewährt hat, ist er an diese Entscheidung gebunden. Sogar eine Vereinbarung, in der sich der Arbeitnehmer verpflichtet, den Urlaub abzubrechen und die Arbeit wieder aufzunehmen, verstößt gegen § 13 Bundesurlaubsgesetz und ist rechtsunwirksam (BAG, Urt. v. 20. 6. 2000 - 9 AZR 404/99 und 405/99).

Allerdings kann ein Mitarbeiter im äußersten Notfall zurückgerufen werden. Ein solcher Notfall liegt allerdings nicht vor, wenn ein anderer Mitarbeiter erkrankt ist oder organisatorische Probleme oder eine dünne Personaldecke den Betrieb gefährden. Der Notfall muss gravierend sein: Eine Katastrophe wie plötzliches Hochwasser im Betrieb oder ein Zusammenbruch der EDV, die nur der im Urlaub befindliche Mitarbeiter abwenden oder beheben kann. Folge: Wurde der Mitarbeiter zurückgerufen, muss der Arbeitgeber die vollen Kosten für die verfrühte Rückreise übernehmen, allerdings nur die Kosten des Mitarbeiters, nicht die seiner Angehörigen.

Wenn der Arbeitsvertrag »Erreichbarkeit« festlegt

Klauseln im Arbeitsvertrag können eine permanente Erreichbarkeit des Beschäftigten auch an seinen freien Tagen zur Pflicht machen – oder jedenfalls für ein paar Stunden pro Urlaubstag. Dies ist vor allem bei Führungskräften und höheren Positionen häufig der Fall. Eine gern verwendete Klausel besagt, dass der Beschäftige auch im Urlaub einmal täglich die Mailbox abhören oder in einer bestimmten Zeit telefonisch erreichbar sein muss. Aber: Solche Klauseln sind unwirksam und ungültig. Denn Urlaub dient der Erholung und damit dem Gesundheitsschutz. Daher hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass derartige Klauseln auch in Arbeitsverträgen unzulässig sind (20.6.2000 – 9 AZR 405/99). Dies gilt jedenfalls für die 24 Werktage, die jedem Angestellten als gesetzlicher Mindesturlaub zustehen. An allen zusätzlichen, vom Arbeitgeber über die 24 Tage hinaus freiwillig gewährten Urlaubstagen kann es allerdings vertragliche Sonderregeln geben. Klauseln im Arbeitsvertrag , die eine Erreichbarkeit an diesen Tagen vorsehen, sind daher zulässig. Der Chef darf dann permanente Erreichbarkeit verlangen.

Regeln für Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst

Sowohl während der Rufbereitschaft wie bei einem Bereitschaftsdienst muss der Beschäftigte permanent erreichbar sein, egal wo er sich gerade aufhält. Das muss aber mit dem Arbeitgeber ausdrücklich vereinbart werden. Rufbereitschaft bedeutet, dass der Arbeitnehmer jederzeit für den Arbeitgeber z.B. durch Anruf erreichbar sein muss, um bei Bedarf und auf Abruf seine Arbeit aufnehmen zu können. Ein Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufhalten muss, um bei Bedarf unverzüglich seine Arbeitstätigkeit aufnehmen zu können. In beiden Fällen befinden sich die Mitarbeiter jedoch nicht im Urlaub. Rufbereitschaft bzw. Bereitschaftsdienst und Urlaub schließen sich aus . Hinweis: Rufbereitschaft gilt nur dann als Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich zur Arbeit herangezogen wird, Bereitschaftsdienst ist dagegen Arbeitszeit.

Gelten für Führungskräfte andere Regelungen?

Im Prinzip gilt auch für Führungskräfte nichts anderes. Selbst wenn sie ein Diensthandy haben, müssen sie es im Urlaub nicht benutzen und auch nicht erreichbar sein. Auch für Führungskräfte gilt das Bundesurlaubsgesetz – Urlaub ist auch für sie arbeitsfreie Zeit. Dienstliche Anrufe oder Mails können sie daher ignorieren. Allerdings kann es im Interesse der leitenden Angestellten oder der Führungskräfte liegen, dass die Geschäfte auch während ihrer Abwesenheit weiterlaufen. Inwieweit sie dann freiwillig erreichbar sind, müssen sie selbst entscheiden – eine rechtliche Verpflichtung dazu gibt es nicht.

Wenn der Mitarbeiter nicht erreichbar ist

Darf der Handwerkschef seinem Mitarbeiter kündigen, weil der im Urlaub nicht erreichbar ist? Auf gar keinen Fall! Wer als Angestellter im Urlaub auf den Anruf oder die Kontaktaufnahme seines Arbeitgebers nicht reagiert, muss sich keine Sorge machen, dass ihn nach seiner Rückkehr die Kündigung erwartet. Diese könnte nur eine verhaltensbedingte Kündigung sein. Voraussetzung dafür ist immer eine vorherige Abmahnung. Und: Dem Arbeitnehmer müsste ein Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten vorgeworfen werden. Da er sich im Urlaub befunden hat, kann er in dieser Zeit nicht gegen eine arbeitsrechtliche Pflicht verstoßen haben. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein etwa entschied, dass dienstliche SMS in der Freizeit nicht gelesen werden müssen. In diesem Fall ging es um eine Nachricht über kurzfristige Dienstplan-Änderungen an einen Sanitäter, der nach einer Abmahnung geklagt hatte (Aktenzeichen 1 Sa 39 öD/22). Nun ist der Fall vor dem Bundesarbeitsgericht anhängig (5 AZR 349/22).