Azubi-Studie: Was Auszubildende wirklich wollen

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Der Lehrling, das unbekannte Wesen? Nicht mehr, denn die „Reinhold Würth Handwerks-Studie“ zeigt, was der Nachwuchs von den Betrieben erwartet. Wichtigstes Ergebnis: Das Handwerk kommt gut an.

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    „Die weichen Faktoren werden im Handwerk immer wichtiger.“ Professor Dirk Hass, Künzelsauer Institut für Marketing.

Die gute Nachricht zuerst: Auszubildende, die den Weg ins Handwerk gefunden haben, sind mit ihrer Arbeit so zufrieden, dass sie auch nach der Lehre im erlernten Beruf bleiben wollen. Das erklärten 76 Prozent von 451 befragten jungen Männern und Frauen, die an der neuesten Studie „Azubi im Handwerk 2.0“ teilgenommen haben. Die Studie wurde von Würth initiiert. Die schlechte Nachricht ist, dass zu wenig Schulabgänger überhaupt im Handwerk landen und deshalb von den Vorzügen des vielseitigsten Wirtschaftsbereichs in Deutschland offensichtlich kaum etwas erfahren.

„Dass drei Viertel der von uns befragten Lehrlinge im Handwerk bleiben wollen, hat uns doch positiv überrascht“, erklärt Professor Dirk Hass, Leiter des Künzelsauer Instituts für Marketing an der Hochschule Heilbronn (KIM), das die Studie im Auftrag von Würth erstellte. Die Untersuchung – sie ist die größte wissenschaftliche Studie dieser Art in Deutschland – setzt mit den Azubis ganz bewusst die künftigen Mitarbeiter in den Fokus und soll zeigen, welche Anforderungen die Azubis an ihren Beruf stellen und welche Erwartungen sie an das Handwerk und ihre Arbeitgeber haben. „Die Chefs von heute müssen frühzeitig erkennen und wahrnehmen, was den Chefs von morgen wichtig ist“, begründet Reinhold Würth, Vorsitzender des Stiftungsbeirats der Würth-Gruppe, die Inhalte der Studie. Schließlich, so Würth, höre er in persönlichen Gesprächen mit Handwerksunternehmern immer wieder, dass die Nachfolge in den Betrieben ungeklärt sei, „weil der bequeme Bürosessel jungen Menschen heute häufig attraktiver erscheint als die Leiter, das Baugerüst oder die Grube in der Werkstatt“.

Der zweite Schwerpunkt der Befragung sollte herausfinden, welche Bedeutung und Relevanz die Azubis den neuen Medien beimessen. Und zwar als Konsument, insbesondere jedoch auch als Nachwuchs- oder Führungskraft in einem Handwerksbetrieb.

Pflichtlektüre für Chefs

Die Ergebnisse der Studie zeigen, wie Handwerksazubis ticken, was sie für Erwartungen an ihren Ausbildungsbetrieb haben, welche Vorstellungen sie von ihrer beruflichen Zukunft haben, aber auch, wie sie mit den neuen Medien umgehen. Eigentlich eine Pflichtlektüre für jeden Handwerksunternehmer, der wissen will, wie er seinen Betrieb attraktiv für den Nachwuchs macht und wo er gegebenenfalls nachbessern muss, um nicht in naher Zukunft ohne Fachkräfte dazustehen. Weil die Erkenntnisse der Studie für das Handwerk existenziell wichtig sind, ist handwerk magazin auch Medienpartner und fasst die zentralen Aussagen der Untersuchung zusammen.

Vorteil Handwerk

Fragt man die Handwerks-Azubis, welche Faktoren bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes und Berufes wichtig sind (siehe Grafik unten), fällt auf: Die „weichen“ Faktoren, wie das Verhältnis zu Kollegen, Wertschätzung, Anerkennung der Arbeit und ein gutes Verhältnis zum Chef, sind deutlich wichtiger als das Gehalt während der Ausbildung, die Größe des Unternehmens, betriebliche Zusatzleistungen oder Arbeitszeiten.

Für Dirk Hass ist das ein Beweis, dass „große Unternehmen bei den Jobeinsteigern nicht so viele Vorteile haben wie angenommen“. Denn die kleineren Firmen seien sehr nah an den Mitarbeitern. Die Firmenchefs im Handwerk könnten durchaus attraktive Lehrstellen bieten, sie müssten nur auf die richtigen Werte setzen.

Dass dies in vielen Fällen auch geschieht, zeigen die Antworten auf die Fragen nach der aktuellen Situation am Ausbildungsplatz. So herrscht zum Beispiel eine hohe Zufriedenheit bei dem Verhältnis zu den Kollegen und zum Vorgesetzten. Auch die Arbeitsmarktchancen und die Möglichkeiten der Weiterbildung sind aus Sicht der Auszubildenden eine Stärke des Handwerks. Fazit von Forscher Hass: „Die befragten Azubis finden ihre Arbeitsbedingungen und Perspektiven gut.“

Firmen-Homepage ist wichtig

Der zweite Teil der Studie befasst sich mit dem Mediennutzungsverhalten – mit interessanten Ergebnissen. Mehr noch als über E-Mails und Online-Communities kommunizieren die jungen Handwerker privat über Instant-Messenger wie Skype und WhatsApp. Über drei Viertel der Befragten machen das täglich. Dagegen wird nur selten getwittert. Für die Information im Internet sind Suchmaschinen, Nachrichtenportale und Unternehmens-Homepages von überragender Bedeutung für die junge Zielgruppe. Wer also als Unternehmen beim Nachwuchs Eindruck machen will, muss über einen guten Internetauftritt verfügen.

Wenn sich allerdings Azubis im Betrieb über ein Produkt informieren sollen, dann zeigt sich, dass die klassischen Medien nicht von neuen Medien verdrängt, sondern durch diese ergänzt werden. Ganz oben steht als Informationsquelle inzwischen die Homepage des Lieferanten, aber dicht dahinter kommt schon das Telefongespräch (siehe Grafik rechts). Müssen Produkte für die Firma bestellt werden, setzt der Nachwuchs klar auf den Multikanalvertrieb: Telefon, Online-Shop, Außendienst und Mail werden als fast gleichwertig geeignet eingestuft.

Für Dirk Hass steht fest: „Die digitalen Veränderungen im Handwerk werden von den heutigen Azubis getragen.“ Deshalb sollten die Firmenchefs die nötigen technischen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen. Reinhold Würth weiß aus eigener Erfahrung, dass nur die Betriebe überleben, die junge Kräfte integrieren und in Führungspositionen bringen. Die Azubi-Studie kann dabei helfen, denn nach der Lektüre kann kein Firmenchef mehr sagen, er wisse nicht, wie der Nachwuchs tickt.